AMAZON

Wer haftet für Produktbilder und Artikelbeschreibungen auf dem Amazon Marketplace?

Das "Anhängen" an eingestellte Amazon-Angebote

Amazon  erlaubt für jedes angebotene Produkt nur eine Artikelnummer. Die Artikelnummer soll ein Produkt eindeutig identifizieren und dient als Zugriffsschlüssel für die in Datenbanken hinterlegten detaillierten Artikelbeschreibungen und das Produktfoto. Die eindeutige standardisierte Artikelnummer wird entweder als GTIN (Global Trade Item Number, früher: EAN, European Article Number), oder als ASIN-Nummer angegeben. Die GTIN werden in Deutschland von der GS1 Germany GmbH verkauft. Die ASIN ist Amazons eigene Artikelnummer (Amazon Standard Identification Number) und wird von Amzon automatisch generiert. Jede Produktdetailseite hat eine eigene ASIN-Nummer. Merkt Amazon, dass für ein Produkt mehrere Artikelnummern existieren, werden diese zu einer Artikelnummer mit einer Produktdetailseite zusammengeführt.

Das Anhängen an eine bestehende ASIN

Wenn ein Händler auf Amazon ein neues Produkt mit Produktfoto einstellt, eine Produktbeschreibung erstellt, muss er dieses Produkt mit einer eigene EAN/GTIN-Artikelnummer identifizierbar machen und eine solche Nummer kaufen. Amazon verknüpft die zu einer ASIN hochgeladenen Produktbilder automatisch mit der für diesen Artikel genererierten Produktdetailseite. Nachfolgende Anbieter des gleichen Produkts können sich an die in der Amazon-Datenbank hinterlegte Artikelnummer anhängen. Die bereits vorhanden Produktbeschreibung mitsamt Produktfoto wird dann für das neue Angebot übernommen. Die Produktdetailseite einschließlich der eingestellten Produktbilder können nachfolgende Amazon-Händler nicht ohne weiteres ändern. Ein Wiederverkäufer hat nur die Möglichkeit, sich an den Seller Support von Amazon zu wenden, um dort auf eine Änderung der Produktseite hinzuwirken.

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Haftet ein Amazon-Händler für Rechtsverletzungen auf der von Amazon generierten Produktdetailseite?

Haftung für Wettbewerbsverstöße (z.B. unlautere Werbung)

Ein Händler kann für Angaben einer Verkaufsplattform, der er sich bedient, haften auch wenn nicht er, sondern die Verkaufsplattform diese Angaben eingestellt hat. Das gilt zunächst für wettbewerbsrechtliche Fälle, beispielsweise für Fälle unlauterer geschäftlicher Handlungen. Beispielsweise haften Amazon-Händler für unrichtige unverbindliche Preisempfehlungen auf Amazon, auch wenn diese die UVP gar nicht eingestellt haben.

Beispiel
Die Beklagte bot auf amazon.de eine Uhr der Marke „Casio“ zu 19,90 Euro an. Über der Preisangabe war der Hinweis angebracht

„Unverb. Preisempf.“ und dahinter die durchgestrichene Angabe „39,90 Euro“.

Die Angabe war falsch. Tatsächlich handelte es sich um ein Auslaufmodell. Im Zeitpunkt des Angebots bestand diese Herstellerpreisempfehlung nicht mehr. Die beanstandete Preisempfehlung hatte Amazon eingestellt. Hierfür haftete dennoch der Händler. Denn die Zurechnung der Gefahr, in dieser Konstellation für falsche Angaben Dritter (d. h. Amazon) zu haften, ist gleichsam die Kehrseite der von den Händlern in Anspruch genommenen Vorteile einer „internetbasierten, allgemein zugänglichen und eine weitge-hende Preistransparenz vermittelnden Verkaufsplattform“ (BGH v. 3.3.2016 - I ZR 110/15 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon).

Haftung für Markenrechtsverletzungen

Ein Onlinehändler, der auf einer Verkaufsplattform anbietet, kann auch für Markenrechtsverletzungen haften, die dadurch entstehen, dass ein anderer Händler das Angebot ändert. Das Gleiche gilt, wenn dies der Betreiber der Verkaufsplattform, beispielswiese Amazon, tut.

Beispiel
Der Beklagte bot auf dem Amazon-Marketplace eine „Finger Maus“ für Notebooks an. Ursprünglich enthielt die Angebotsseite die Herstellerbezeichnung „Oramics“. Später wurde das Angebot geändert in:

„Trifoo [...] Finger Maus [...]“

Die Klägerin wurde erst nach der Angebotseinstellung Inhaberin der Marke „TRIFOO“. Das Angebot war dennoch eine Verletzung der Marke „Trifoo“. Der Beklagte haftet als „Störer“. Denn das Einstellen auf Amazon ist ein „gefahrerhöhendes Verhalten“: Wer auf dem Marketplace anbiete, muss ständig damit rechnen, dass die Angebotsseite verändert wird und er dadurch fremde Rechte verletzt werden. Ein Marketplace-Händler muss daher „ein bei Amazon Marketplace eingestelltes Angebot regelmäßig darauf [...] überprüfen, ob rechtsverletzende Änderungen vorgenommen worden sind“ (BGH v. 3.3.2016 – I ZR 140/14 – Angebotsmanipulation bei Amazon).

Lesen Sie hier: Haftung der Amazon-Händler für Urheberrechtsverletzungen, z.B. Produktbilder

Prüfpflicht des Amazon-Händlers alle zwei Wochen

Nach der Rechtsprechung des BGH muss ein Amazon-Händler ein bei Amazon Marketplace eingestelltes Angebot öfter als einmal alle zwei Wochen auf Rechtsverletzungen hin überprüfen (BGH v. 3.3.2016 - I ZR 140/14 - Angebotsmanipulation bei Amazon, Rz. 30). Auch die Beklagte habe überprüfen müssen, welche Lichtbilder mit der ASIN verlinkt waren, um sich zu vergewissern, ob ihr eine Nutzung derselben erlaubt ist, um einer urheberrechtlichen Haftung zu entgehen. Dies sei ihr auch grundsätzlich möglich, da jeder Internetnutzer (also auch Mitarbeiter der Beklagten) in der Lage sei, durch Eingabe einer URL, die die ASIN des Produkts enthält, die hinterlegten Produktinformationen einzusehen.

Das Urteil des OLG Köln steht im Widerspruch zu dem Urteil des OLG München in einem ähnlichen Fall. In diesem hatte das OLG München ein öffentliches Zugänglichmachen des Amazon-Händlers und damit eine Urheberrechtsverletzung verneint (OLG München v. 10.03.2016 – 29 U 4077/159). Das OLG Köln hat daher eine Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

 

Das nachträgliche Einfügen der eigenen Marke kann rechtsmissbräuchlich oder wettbewerbswidrig sein

OLG Frankfurt v. 27.10.2011 – 6 U 179/10

Manchmal ändert ein Anbieter eine Produktseite, indem er selbst seine eigene Marke einfügt. In einem vom Oberlandesgericht Frankfurt (Urteil v. 27.10.2011 – 6 U 179/10) entschiedenen Fall hatte ein solcher Anbieter anschließend einen Konkurrenten wegen Verletzung seiner Marke verklagt. Zu Unrecht, meinte das OLG: Es läge zwar an sich eine Markenrechtsverletzung vor, weil der Unterlassungsanspruch verschuldensunabhängig sei. Ein solches Vorgehen sei aber rechtsmissbräuchlich. Denn dieser Anbieter habe seinen Konkurrenten bewusst in die Falle laufen lassen. Die Besonderheit des Falls: Über 1 1/2 Jahre lang hätten beide Anbieter nebeneinander die gleichen Brillen unter dieser Produktseite verkauft. Wenn er nun seine eigene Marke in das Angebot einfüge, müsse er seine Konkurrenten wenigstens darüber informieren, meinte das OLG Frankfurt.

LG Frankfurt v. 11.5.2011, Az. 3-08 O 140/10

Noch strenger sah dies das Landgericht Frankfurt in einem Urteil vom 11.5.2011 (Az. 3-08 O 140/10). Die Parteien des bereits erwähnten Verfahrens vor dem OLG Hamm stritten in Frankfurt darum, ob nicht selbst wettbewerbswidrig handele, wer nachträglich seine Marke in die Produktseite einfüge, um anschließend gegen Konkurrenten wegen Verletzung dieser Marke vorzugehen. Das Landgericht Frankfurt hatte genau dies angenommen: Wenn über fünf Monate hinweg die Produktseite unverändert geblieben war, könne man nicht plötzlich eine Marke einfügen und mit dieser gegen Mitbewerber markenrechtlich vorgehen. Das sei eine wettbewerbswidrige gezielte Behinderung. Die Entscheidung ist nicht ohne Weiteres verallgemeinerungsfähig. Denn an sich muss ein Amazon-Verkäufer regelmäßig die Produktseiten überprüfen. Das OLG Hamm nimmt an, dass ein Amazon-Händler seine Produktseiten nicht länger als drei Tage aus den Augen lassen dürfe. Die Amazon-AGB selbst sehen sogar eine tägliche Prüfpflicht vor. Nicht selten hängen sich Verkäufer auf Amazon an vorgeschlagene Artikel auch dann an, wenn sie tatsächlich nicht ein identisches, sondern nur ein ähnliches Produkt verkaufen wollen. Das erspart ihnen die mühevolle Erstellung einer eigenen Produktseite. Wer aber ein anderes Produkt liefert, als auf der Amazon-Produktseite dargestellt, verstößt gegen das Wettbewerbsrecht (OLG Hamm v. 19.7.2011 – I-4 U 22/11).

Sie haben eine markenrechtliche oder kennzeichenrechtliche Abmahnung erhalten?

Wenn der Abmahnende eine Verletzung seiner Marke oder seines Unternehmenskennzeichens durch das "Anhängen" an eine existierende Produktseite behauptet, kommt es darauf an, ob der beanstandete Markenbestandteil überhaupt geschützt ist und ob dann eine Verwechslungsgefahr vorliegt. Oft ist bei Wortbildmarken der Wortbestandteil überhaupt nicht schutzfähig. Es kommt auch darauf an, wie genau die Marke oder das Kennzeichen benutzt wurde. Es kommt auch darauf an, ob der Abmahnende aus einer deutschen Marke oder einer Unionsmarke vorgeht.

Aufbau, Diktion und vor allem die vorformulierte Unterlassungserklärung verraten uns, ob die geltend gemachten Ansprüche berechtigt und durchsetzbar sind und der Gegenanwalt auf der Höhe der aktuellen Rechtsprechung ist. Wir haben jahrelange Erfahrung und nachweisbare Erfolge im Marken- und Kennzeichenrecht, auch in komplizierten Markenrechtsfällen.

Sie haben sich an eine Amazon-Produktseite angehängt?

Autor: Thomas Seifried, Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Bewertungen

SEIFRIED IP Kanzlei Markenrecht Wettbewerbsrecht Designrecht Urheberrecht - Über 20 Jahre Erfahrung
5

Basierend auf 7 Bewertungen

Niklas Horstmann
Niklas Horstmann
15.09.2023

Dankeschön

Jan Ruthard
Jan Ruthard
09.02.2023

Schnelle & professionelle Erstinformation. Sehr empfehlenswert.

Tobias
Tobias
24.09.2021

Besten Dank für die telefonische Beratung zu meiner Markenanmeldung. Sie haben sofort für Klarheit gesorgt und waren sehr hilfsbereit. Schön, so etwas in der heutigen Zeit zu erleben.