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Prüfungsumfang bei Designanmeldung und Geschmacksmusteranmeldung
Was EUIPO und DPMA bei der Anmeldung von Designs und Geschmacksmustern überhaupt nur prüfen
DPMA und EUIPO prüfen die Anmeldung eines Musters überhaupt nur daraufhin, ob es sich um ein „Design“ im Sinne des § 1 I DesignG bzw. um ein „Geschmacksmuster“ im Sinne des Art. 3 a) GGV handelt und ob es gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt oder staatliche oder zwischenstaatliche Zeichen nachahmt.
Beispiel: Wegen Nachahmung der Flagge des Europarats, die gleichzeitig auch Flagge der Europäischen Union ist, hatte das DPMA die Eintragung des folgenden Designs abgelehnt (BPatG v. 22.1.2015 – 30 W (pat) 703/13 – DE-Flagge):
EUIPO prüft Qualität der eingereichten Bilder
Das EUIPO prüft, ob die bei der Anmeldung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters eingereichten Ansichten (Bilder) eine ausreichende Qualität haben (vgl. Art. 4 I e) GGDV). Details müssen auf den eingereichten Bildern einer Geschmacksmusteranmeldung sichtbar sein.
Das DPMA schreibt lediglich vor, dass eingereichte JPEG-Dateien eine Auflösung von mindestens 300 dpi haben müssen (§ 7 V DesignV).
EUIPO und DPMA prüfen Schutzvoraussetzungen von Designs und Geschmacksmustern nicht
Weder das DPMA noch das EUIPO prüfen bei der Anmeldung von Designs und Gechmacksmustern die Schutzvoraussetzungen „Neuheit“ und „Eigenart“ eines Designs oder Geschmacksmusters. Auf der Eintragungsurkunden des Deutschen Patent- und Markenamtes steht ausdrücklich:
"Die Schutzfähigkeit der Designs ist vom Deutschen Patent- und Markenamt nicht geprüft."
Daher werden angemeldete Muster auch schnell eingetragen. Beim EUIPO können Anmeldungen schon innerhalb eines Tages eingetragen werden, wenn der Anmelder ein ständiges Konto beim EUIPO unterhält. Ein eingetragenes Design und ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist also ein Schutzrecht, das - im Gegensatz etwa zu einem Patent (geprüftes Schutzrecht) oder einer Marke (teilweise geprüftes Schutzrecht) - von den Ämtern nicht geprüft wird.
Ämter prüfen weder Schutzhindernisse noch Verletzungen
Die Ämter prüfen auch nicht, ob die Erscheinungsmerkmale eines Musters allein durch ihre technische Funktion bestimmt sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 DesignG; Art. 8 Abs. 1 GGV) oder zwangsläufig in ihrer genauen Funktion nachgebildet werden müssen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 DesignG; Art. 8 Abs. 2 GGV). Schon gar nicht prüfen sie, ob die Benutzung eines angemeldeten Musters ältere eingetragene Designs oder Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzen würde. Ob ein Inhaber eines eingetragenen Designs oder eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters aus der Eintragung auch Rechte ableiten kann, muss sich daher bei jedem Verletzungsfall aufs Neue bewähren. Ob durch die Benutzung eines Designs ein deutsches eingetragenes Design oder ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzt wird, hängt also zunächst davon ab, ob das Design bzw. Geschmacksmuster im Anmeldezeitpunkt überhaupt „neu" war und „Eigenart“ hatte. Wenn es das war, kommt es darauf an, ob das potenziell verletzende Design beim „informierten Benutzer“ keinen anderen Gesamteindruck hervorruft.
Viele eingetragenen Designs und Geschmacksmuster sind schutzunfähig
Da die Ämter Designs und Gemeinschaftsgeschmacksmuster bei der Anmeldung so gut wie nicht prüfen, findet man in den Registern Eintragungen, die offensichtlich wertlos sind. Kosten, Gebühren und Lebenszeit für die Anmeldung hätte man sich sparen können. Zwei typische Irrtümer offenbaren sich immer wieder: Der Anmelder irrt über die schutzfähigkeit von Buchstaben und Worten oder er irrt über die Bedeutung der Erzeugnisangabe. Besonders unverzeihlich sind Fehler bei den einzureichenden Abbildungen des zu schützenden Erzeugnisses. Hier werden oft mehrere verschiedene Erzeugnisse in einer einzigen Anmeldung (nicht Sammelanmeldung) eingereicht. Solche Anmeldungen sind absolut wertlos, weil sich ein Schutzumfang nicht bestimmen lässt:
Grundsatz: Schutzumfang muss aus den Abbildungen erkennbar sein
Geschützt ist als Design bzw. Geschmacksmuster ist nicht das Erzeugnis selbst (z.B. Frottiertuch), sondern nur seine Erscheinungsform, d.h. eben derjenige Zustand, der mit der Abbildung wiedergegeben wird. Geschützt ist nur, was in der Anmeldung zu erkennen ist (vgl. § 37 I DesignG). Der Schutz des Designs richtet sich danach, welche konkrete Form aus der Abbildung zu erkennen ist (vgl. BGH v. 24.03.2011 - I ZR 211/08 - Schreibgeräte; BGH v. 22.04.2010 - I ZR 89/08 - Verlängerte Limousinen). Was aus den eingereichten Fotos oder Zeichnungen nicht zu erkennen ist, ist nicht geschützt.
Typische Fehler bei der Anmeldung von Designs und Geschmacksmustern: Mehrere Erzeugnisse
Beispiel 1: Ein Stapel Frottiertücher
Das Bild gibt eine inzwischen abgelaufenen deutsche Geschmacksmustereintragung (heute: eingetragenes Design) für Frottiertücher wieder. Die schwarz-weiß hinterlegte Abbildung zeigt vier offensichtlich farbige Frottiertücher. Drei der Frottiertücher liegen zusammengelegt übereinander auf einem vierten ausgebreiteten Frottiertuch. Hier wurden gleich mehrere Fehler gemacht:
Fehler 1: Schwarz-Weiß-Abbildung des Geschmacksmusters
Die Farbe und die Oberflächenstruktur sind wesentliche Merkmal, die die Erscheinungsform eines Erzeugnisses bestimmen (vgl. § 1 DesignG). Farbige Designs sollten daher unbedingt auch farbig eingereicht werden. Ausnahme: Es wird mit einer abstrahierenden Darstellung ein farbunabhängiger Schutz gesucht. Eine solche abstrahierende Darstellung wurde hier aber nicht eingereicht, sondern ein Schwarz-Weiß-Foto. Aus einer Schwarz-Weiß-Einreichung kann ein Schutz für Farben aber nicht abgeleitet werden.
Fehler 2: Nicht ein Erzeugnis oder Erzeugnisteil, sondern mehrere
Ein Design (§ 1 Nr. 1 DesignG) bzw. Geschmacksmuster (Art. 3 a GVV) ist die Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon. Hier wird tatsächlich nicht ein Erzeugnis abgebildet, sondern tatsächlich vier Erzeugnisse. Zwar kann ein Erzeugnis als sog. "Kombinationserzeugnis" auch aus mehreren Elementen bestehen. Vorraussetzung: Die einzelnen Elemente sind als Elemente eines Ganzen erkennbar (EuG v. 25.10.2013 - T 231/10 Merlin u.a./Dusyma Kindergartenbedarf GmbH).
Hier ist schnell klar, dass der Anmelder nicht ein Bündel Frottiertücher hat schützen wollen, sondern mehrere farblich unterschiedliche Frottiertücher in einer Abbildung. Möglicherweise hatte der Anmelder den Begriff "Sammelanmeldung" missverstanden. In einer Sammelanmeldung können bis zu 100 eigenständige Designs kostensparend in einer Anmeldung zusammengefasst werden, § 12 DesignG. Rechtlich handelt es sich aber bei allen Designs einer Sammelanmeldung um selbständige Schutzrechte. Eine solche Abbildung stellt daher kein Design bzw. Geschmacksmuster im Sinne des Gesetzes dar, weil tatsächlich mehrere selbständige Erzeugnisse in einer Abbildung wiedergegeben werden.
Beispiel 2: Mehrere unterschiedliche Sporthelme - BGH v. 20.12.2018 - I ZB 25/18 - Sporthelm
Der Fall: Beim Deutschen Patent- und Markenamt waren für das Design 402008001032-0001 die oben abgebildeten Darstellungen hinterlegt. Diese zeigen für ein und dieselbe Einzelanmeldung verschiedene Helme. Die Helme unterscheiden sich in der Grundfarbe, im Dekor und in den Riemen (mit und ohne Ohrenklappen). Teilweise enthalten die Helme einen „Reiterknopf“. Ein Nichtigkeitsantrag an das DPMA wurde damit begründet, dies sei tatsächlich nicht „ein“ Design mit einem einzigen Schutzumfang. Vielmehr handele es sich um mehrere Designs. Ein einheitlicher Schutzumfang könne man daher nicht feststellen. Es sei nicht feststellbar, welche Merkmale geschützt sein sollen und welche nicht. Das Bundespatentgericht lehnte es aber ab, das Design für nichtig zu erklären. Es gebe eine „Schnittmenge“ übereinstimmender Merkmale: Allen Helmen gemein sei jedenfalls eine identisch geformte Helmschale.
Ein Design ist nach dem Gesetz (§ 1 Nr. 1 DesignG) die Erscheinungsform „eines“ Erzeugnisses. Ein Design, das in der Anmeldung in mehrere Darstellungen unterschiedlicher Erzeugnisse wiedergibt, ist nichtig (vgl. § 33 I Nr. 1 DesignG). Die bisherige Rechtsprechung war in diesen Fällen allerdings großzügiger. In der „Sitz-Liegemöbel“-Entscheidung (BGH v. 15.2.2001 - I ZR 333/98 - Sitz-Liegemöbel) ging der BGH noch davon aus, dass man bei mehreren Darstellungen mit unterschiedlichen Ausführungen eine Schnittmenge der übereinstimmenden Merkmale bilden könne. Dies sei dann der Schutzumfang. Diese Rechtsprechung hat der BGH aufgegeben. Ein Design könne immer nur einen einheitlichen Schutz haben. Der Schutzumfang müsse sich unmittelbar aus den Darstellungen des Registers ergeben. Eine Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmalen würde aber nur im Kopf des Betrachters existieren. Das sei mit Rechtssicherheit nicht vereinbar. Ein einheitlicher Schutz für die Darstellungen verschiedener Helme sei nicht zu ermitteln. Der BGH hatte die Sache an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Dieses muss das Design nun für nichtig erklären.
Typischer Fehler bei der Design- oder Geschmacksmusteranmeldung: Widersprüchliche Darstellung
BGH, Urteil vom 08.03.2012 - I ZR 124/10 - Weinkaraffe
Widersprüchliche Darstellungen des Erzeugnisses können einen Design- oder Geschmacksmusterschutz völlig entwerten. Ein Beispiel aus der Rechtsprechung: Geklagte hatte die Inhaberin des Gemeinschaftsgeschmacksmusters 000383757-0001. Eingetragen hatte sie das Muster teilweise mit Sockel und und teilweise ohne Sockel (siehe oben).
Die Beklagte vertrieb die abgebildete Weinkaraffe ohne Sockel. Der BGH hatte ein Geschmacksmusterverletzung verneint: Da die Eintragung widersprüchlich sei (einmal mit und einmal ohne Sockel) müsse der Schutzumfang ausgelegt werden. Eine solche Auslegung ergäbe, dass geschützt die Karaffe mit Sockel sei. Die Abbildungen ohne Sockel verdeutlichten lediglich die Gestaltung der Karaffe. Entscheidend für den Schutzumfang sei immer der Gesamteindruck. Die jeweiligen Elemente (Karaffe und Sockel) seien hier nicht isoliert schutzfähig. Weder das Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht, noch das deutsche Geschmacksmusterrecht würden einen Elementeschutz zulassen. Ein Schutz der isolierten Elemente sei ohne weiteres durch eine isolierte Eintragung (Art. 3 a Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung bzw. § 1 Nr. 1 DesignG) zu erhalten.
Anmeldung von "Kombinationserzeugnissen": BGH v. 24.3.2022 - I ZR 16/22 - Schneidebrett
Unwirksames Mehrfacherzeugnis oder wirksames Kombinationserzeugnis? Die Bedeutung der Erzeugnisangabe bei der Anmeldung von Designs und Geschmacksmustern
Ein Design, das in der Anmeldung in mehrere Darstellungen unterschiedliche Ausführungen wiedergibt ist nichtig (vgl. § 33 I Nr. 1 DesignG). In der „Sitz-Liegemöbel“-Entscheidung (BGH v. 15.2.2001 - I ZR 333/98 - Sitz-Liegemöbel) ging der BGH noch davon aus, dass man bei mehreren Darstellungen mit unterschiedlichen Ausführungen eine Schnittmenge der übereinstimmenden Merkmale bilden könne. Diese Rechtsprechung hat der BGH in der „Sporthelme“-Entscheidung (BGH v. 20.12.2018 - I ZB 25/18 - Sporthelm, siehe oben) aufgegeben: Ein Design könne immer nur einen einheitlichen Schutz haben. Der Schutzumfang müsse sich unmittelbar aus den Darstellungen des Registers ergeben. Eine Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmalen würde nämlich nur im Kopf des Betrachters existieren. Das sei mit Rechtssicherheit nicht vereinbar.
Schutz einzelner Elemente
Zwar ist auch der Schutz eines isolierte Erzeugnisteils (z.B. einer Schuhsohle) möglich (Art. 3 a Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung bzw. § 1 Nr. 1 DesignG). Das setzt aber voraus, dass eben auch jenes Erzeugnisteil isoliert als Geschmackmuster oder Design angemeldet wird, wie z.B. bei dieser als Design angemeldeten Schuhsohle (vgl. BGH v. 23.2.2012 - I ZR 68/11 - Milla):
Ein Schutz verschiedener Erzeugnis-Elemente in einer einzigen Anmeldung ist nicht möglich.
Schutz von „Kombinationserzeugnissen“
Oft besteht aber ein Erzeugnis aus verschiedenen Elementen. Ein Schutz solcher Erzeugnisse ist als „Kombinationserzeugnis“ in einer einzigen Anmeldung möglich. Geschützt ist dann das Gesamterzeugnis einschließlich seiner Elemente. Denn auch bei der Anmeldung eines Kombinationserzeugnisses dürfen sich die Abbildungen der Elemente nicht widersprechen. Der Teufel steckt hier im Detail, wie das folgende Beispiel zeigt:
Auf den ersten Blick handelt es sich um ein klassisches Kobinationserzeugnis. Es ist klar, dass diese Skibrille aus mehreren zerlegbaren Elementen besteht. Geschützt wäre an sich eine Skibrille, die sich in Einzelteile zerlegen lässt (und nicht etwa die isolierten Einzelteile).
Bei genauer Betrachtung zeigen die eingereichten Abbildungen aber mehrere miteinander unvereinbare Merkmale: Brillenband und Brillenrahmen weisen in den Abbildungen einen unterschiedlichen Farbkontrast auf. Während Brillenband und Brillenrahmen in der Abbildung 1 oben dunkel und unten hell wiedergegeben sind, wird der Farbkontrast in Abbildung 2 umgekehrt dargestellt. Außerdem unterscheiden sich in den Abbildungen die Dekorflächen über den Brillengläsern in Form, Farbe, Kontrastierung und Größe voneinander. Dies führte zur Nichtigkeit des Designs (BGH, Beschl. v. 20.12.2018 – I ZB 26/18 - Sportbrille).
Auslegung einer Designanmeldung mit unterschiedlichen Abbildungen unterschiedlicher Erzeugnissen
So eindeutig war der nun vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden „Schneidebrett“-Fall (BGH v. 24.3.2022 - I ZR 16/22 - Schneidebrett ) nicht. Hier hatte der Inhaber des Designs mit den oben abgebildeten Darstellungen eines Schneidebretts geklagt. Als Erzeugnis in der Designanmeldung hatte er „Schneidebretter“ angegeben. Er sah in einem ähnlichen Schneidebrett eine Verletzung seines mit den drei Abbildungen hinterlegten eingetragenen Designs. Der Inhaber des Designs klagte gegen den Anbieter der Nachahmung. Dieser wehrte sich mit einer Widerklage, mit der er die Nichtigkeit des Klagedesigns erklärt haben wollte. Sein Argument: In der ersten Abbildung ist ein Schneidebrett mit Auffangschale abgebildet (das ebenfalls dargestellte Obst und Gemüse ist offensichtlich nur Beiwerk). Auf den beiden anderen Abbildungen ist das Schneidebrett ohne Auffangschale abgebildet. Das Design zeige daher nicht „ein“ Erzeugnis, sondern derer zwei. Auch auf ein Kombinationserzeugnis könne man nicht schließen. Ob das Schneidebrett Einfräsungen zur Führung der Auffangschale enthalte, sei nicht erkennbar. Es sei daher nicht zweifelsfrei erkennbar, dass die Auffangschale ästhetisch und funktional auf das Schneidebrett abgestimmt sei (was für ein Kombinationserzeugnis spräche). Man könne daher nicht erkennen, was geschützt sein soll: Ein Schneidebrett ohne Auffangschale oder ein Schneidebrett mit Auffangschale. Das Berufungsgericht hatte aus diesem Grund das Design für nichtig erklärt. So einfach hat es der BGH nicht gesehen: Das in der zweiten und dritten Abbildung dargestellte Schneidebrett sei auch in der ersten Abbildung enthalte. Auch sei die Auffangschale funktional auf das Schneidebrett abgestimmt. Denn in ihr könne man vom Schneidebrett aus die Schneideabfälle schieben. Eine konstruktive Verbindung, etwa durch Einfräsungen zur Führung des Schneidebretts, sei für einen funktionalen Zusammenhang nicht nötig. Es sei auch nicht nötig, dass zwei Elemente ästhetisch und funktional zusammengehören. Es reiche, wenn sie erkennbar zusammengehörten, also ästhetisch oder funktional aufeinander abgestimmt seien.
Erzeugnisangabe relevant für die Auslegung
Der Bundesgerichtshof hat daher die Sache an das Berufungsgericht zurückgegeben. Dieses muss nun die Designanmeldung noch einmal auslegen. Bei der Auslegung muss es auch die Erzeugnisangabe beachten. Diese lautet „Schneidebretter“. Dabei muss es nach den Anweisungen des BGH beachten, dass einerseits die Auffangschale mit dem Schneidebrett funktional zusammengehört, was für einen Schutz als Kombinationserzeugnis aus Schneidebrett und Auffangschale spräche. Andererseits lautet die Erzeugnisangabe in der Anmeldung nur „Schneidebretter“ (und nicht „Schneidebretter mit Auffangschalen“). Wenn sich auch durch Auslegung nicht ermitteln lässt, ob nur das Schneidebrett oder aber dieses zusammen mit der Auffangschale geschützt sein soll, muss das Berufungsgericht seine Entscheidung wiederholen und das Design für nichtig erklären.
Schutzfähigkeit von Buchstaben und Worten
Als Design ist nur die Form, nicht die Bedeutung schutzfähig
Häufig enthalten eingetragene Designs oder eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster Buchstaben oder Worte. Die gedankliche Bedeutung von Buchstaben und Worten ist aber nicht vom Design- bzw. Geschmacksmusterschutz umfasst (vgl. BPatG v. 13.02.2014 - 30 W (pat) 701/13 - NOR DER NEY). Es kommt nur auf die Gestaltung der Schrift an. Dieser fehlt meistens jedoch die Neuheit oder die Eigenart.
Beispiel: T-Shirt mit Aufdruck "POLICE"
Das inzwischen abgelaufene Geschmacksmuster (heute: eingetragenes Design) aus dem Register des DPMA zeigt in einer abstrahierenden Darstellung ein T-Shirt mit einem Aufdruck. Der Inhalt der Schrift ("Police") ist designrechtlich irrelevant. Denn die gedankliche Bedeutung von Buchstaben und Worten ist nicht vom Design-/Geschmacksmusterschutz umfasst (vgl. BPatG v. 13.02.2014 - 30 W (pat) 701/13 - NOR DER NEY). Es kommt nur auf die Gestaltung der Schrift an. Geschützt ist also nicht etwa ein weißes T-Shirt mit schwarzer Aufschrift "Police", sondern ein T-Shirt mit einer gewöhnlichen serifenlosen Schrift. T-Shirts mit Druck in serifenloser Schrift waren im Anmeldezeitpunkt im Jahr 1993 aber längst bekannt. Das Design war daher weder "neu", noch hatte es überhaupt "Eigenart". Tatsächlich geschützt war hier also gar nichts .
Tipps für die Anmeldung von Geschmacksmustern und Designs
Bei der Anmeldung zur Eintragung als Gemeinschaftsgeschmacksmuster können bis zu sieben verschiedene Ansichten des Musters eingereicht werden. Die deutsche Designverordnung erlaubt bei der Anmeldung eines deutschen Designs sogar bis zu zehn Ansichten je Darstellung (§ 7 III 3 DesignV). Nutzen Sie die Möglichkeiten, die Eigenart, d. h. die Unterscheidbarkeit von anderen Mustern, in mehren Abbildungen darzustellen. Was das Muster eigenartig macht, muss aus den Abbildungen hervorgehen. Bei dreidimensionalen Erzeugnissen empfiehlt sich die Einreichung von Abbildungen des Erzeugnisses aus allen relevanten Perspektiven. Unbedingt müssen die Abbildungen ein und dasselbe Modell betreffen.
Wer ein Kombinationserzeugnis sowohl insgesamt, als auch in seinen Einzelteilen schützen möchte, muss sowohl das Gesamterzeugnis, als auch die Einzelteile jeweils gesondert anmelden. Das kann man kostensparend in einer Sammelanmeldung tun.
Die Anmeldung in „abstrahierender Darstellung“
Farbneutraler Schutz für Schwarz-Weiß-Zeichnungen
Bei eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern und eingetragenen Designs haben sich bestimmte Darstellungsweisen durchgesetzt, mit deren Hilfe der Anmelder zu erkennen gibt, dass er den Schutzumfang des jeweiligen Schutzrechts einschränken oder erweitern möchte. Ein in „abstrahierender Darstellung“ angemeldetes Design oder Gemeinschaftsgeschmacksmuster beansprucht grundsätzlich farbunabhängigen Schutz für die hinterlegte Gestaltung. Derartige Muster werden üblicherweise in einer Schwarz-Weiß-Grafik oder einer Schwarz-Weiß-Fotografie dargestellt. Das Muster wird sozusagen von den Farben „abstrahiert“. Geschützt ist hier aber nur eine einheitliche Farbgebung (BGH v. 24.03.2011 – I ZR 211/08 – Schreibgeräte). Ein abstrahiert angemeldetes Muster erweitert also zunächst den Schutzbereich (BGH v. 20.12.2018 - I ZB 26/18 - Sportbrille). Denn es gibt an, dass das Muster farbunabhängig geschützt sein soll. Dies gilt aber nur für einheitliche Färbungen. Wenn beim angegriffenen Muster überhaupt keine einheitliche Farbgebung verwendet wird, sondern z. B. Kontrastfarben, kann dies zu einem anderen Gesamteindruck führen (BGH – Schreibgeräte - a.a.O.; OLG Frankfurt v. 25.02.2013 – 6 U 11/13 – Farbneutrale Damenhandtasche). Dasselbe gilt, wenn bei dem beanstandeten Muster der Gesamteindruck von der farblichen Gestaltung geprägt wird.
Ein im Gesamteindruck identischer einheitlich gefärbter (z.B blauer) Clog würde dieses oben abgebildete abstrahiert eingetragene Muster verletzen, nicht aber der hier abgebildete farbig-geblümte Clog.
Ausnahmen vom Schutzbereich: Gestrichelte oder gepunktete Linien in Design-, Geschmacksmuster- und Markenanmeldungen
Gestrichelte oder gepunkteten Linien kennzeichnen üblicherweise, dass der gestrichelte oder punktiert gezeichnete Gegenstand oder Erzeugnisteil nicht vom Schutz umfasst ist (vgl. EuG, Urteil vom 14.06.2011, T-68/10, Sphere Time). Ein Anmelder macht so deutlich, dass nur bestimmte Teile eines Erzeugnisses gschützt sein sollen. Dies gilt auch für Eintragung von Marken (z.B. bei Positionsmarken). Bei diesem (abstrahiert wiedergegebenen) Manschettenknopf ist der Verschluss mit den beiden Stangen gestrichelt gezeichnet. Der Anmelder hat damit angegeben, dass der Verschluss mit den beiden Stangen vom Schutz nicht umfasst sein soll. Geschützt ist hier also nur der Knopf selbst.
Messebescheinigung: Vorverlegung des Anmeldezeitpunktes
Wer ein Design zur Eintragung anmeldet, das er zuvor auf einer Messe ausgestellt und dort auf ihre Markttauglichkeit getestet hat, kann eine „Ausstellungspriorität“ (§ 15 DesignG) beanspruchen. Das gleiche gilt für die Anmeldung einer Marke, wenn das markierte Produkt zuvor ausgestellt war (vgl. § 35 MarkenG). Damit wird der Anmeldetag, der bei Eintragung den Schutzbeginn markiert, vorverlegt auf den Tag der Ausstellung. Voraussetzung: Er meldet nach der erstmaligen Ausstellung das Muster innerhalb von sechs Monaten zur Eintragung an. Der Tag der ersten Austellung gilt dann als Anmeldetag.
Messebescheinigungen werden aber nur von bestimmten Messen akzeptiert. Für Anmeldungen von deutschen Designs oder Marken beim Deutschen Patent- und Markenamt - DPMA sind das die Messen, die jeweils zuvor im Bundesgesetzblatt in einer Bekanntmachung veröffentlicht werden. Die folgenden Messen werden beispielsweise aufgeführt im Bundesgesetzblatt (BAnz AT 26.10.2020 B1 bzw. BAnz AT 19.11.2020 B2):
- „iENA – Internationale Fachmesse Ideen-Erfindungen-Neuheiten“
vom 29. Oktober bis 1. November 2020 in Nürnberg - „EUROBIKE – 29. Internationale Fahrradmesse“
vom 24. bis 26. November 2020 in Friedrichshafen - „opti – Die internationale Messe für Optik & Design“
vom 8. bis 10. Januar 2021 in Stuttgart - „LogiMAT 2021 – Internationale Fachmesse für Intralogistik-Lösungen und Prozessmanagement“
vom 22. bis 24. Juni 2021 in Stuttgart - „INTERNATIONALE HANDWERKSMESSE – Ihr Treffpunkt des Handwerks.“
vom 10. bis 14. März 2021 in München - „iba 2021 – Die führende Weltmesse für Bäckerei, Konditorei und Snacks“
vom 24. bis 28. Oktober 2021 in München - „sps connect – The digital automation hub“
vom 24. bis 26. November 2020 – Virtuell - „CMM – Connected mobile Machines & Mobility“
vom 1. bis 2. Dezember 2020 in Hannover - „139. Deutsche Junggeflügelschau Hannover 2020“
vom 18. bis 20. Dezember 2020 in Hannover
Das EUIPO erkennt derzeit nur Weltausstellungen als prioritätsbegründend an. Für die Anmeldung einer Unionsmarke oder eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters spielt die Austellungspriorität daher praktisch an sich keine Rolle. Ein nationales Design oder eine nationale Marke kann ebenfalls grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten als Gemeinschaftsgeschmacksmuster oder Unionsmarke nachangemeldet werden. Da das EUIPO dabei nur noch das Datum der nationalen Anmeldung prüft, aber nicht mehr prüft, woher die nationale Priorität stammt (siehe hierzu OAMI-Newsletter 02-2009) könnte über den Umweg der nationalen Anmeldung letztendlich doch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster oder eine Unionsmarke mit nationaler Ausstellungspriorität zu bekommen sein. Auch die WIPO in Genf überprüft die nationalen Prioritäten nicht. Unabhängig davon ensteht mit der Zurschaustellung auf einer Messe jedenfalls der Schutz aus dem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster.
Auf Frankfurter Messen, werden Messebescheinigungen am Informationsstand „Messe Frankfurt against Copying“ ausgestellt. Der Stand befindet sich in aller Regel im Foyer der Halle 4.1.
Autor: Thomas Seifried, Anwalt für Designrecht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz