Autor: Anwalt Wettbewerbsrecht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Thomas Seifried
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Irreführende Werbung mit Testsiegeln
Rechtliche Pflicht zur Fundstellenangabe
Werbung mit einem Testsiegel ist nur zulässig, wenn eine Fundstelle des Tests deutlich erkennbar angegeben wird. Diese muss leicht zugänglich sein und eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Test erlauben. So sollen Verbraucherinnen und Verbraucher auf einfachem Weg selbst den Test wahrnehmen können (BGH v.16.7. 2009 - I ZR 50/07 - Kamerakauf im Internet). Das gilt auch dann, wenn das Testsiegel bereits auf dem Produkt aufgebracht ist und die Werbung nur das Produkt (mit Testsiegel) abbildet (vgl. BGH v. 15.4.2021, I ZR 134/20 - Testsiegel auf Produktabbildung).
Markenrechtsverletzung durch Werbung mit Testsiegeln
Nutzung von Testsiegeln ohne Lizenz
Wer Testsiegel herausgibt, gestattet eine Nutzung oft nur gegen Zahlung einer Lizenzgebühr. In den meisten Fällen sind Testsiegel auch als Marken geschützt. Wer als Hersteller oder Vertreiber einen Testsiegel für seine Produkte nutzen möchte, muss eine Lizenzgebühr bezahlen. Viele Händler sparen sich diese Gebühr und werben ohne Lizenzzahlungen für ihre Produkte. Das oft unschädlich, weil die Produkte, für die die betreffende Testsiegel-Marke eingetragen ist (z.B. "Werbung mit Testergebnissen") und die Produkte, für die mit dem Siegel geworben wird, absolut unähnlich sind. Es besteht dann alleine deshalb keine Verwechslungsgefahr.
Der Fall BGH v. 12.12.2019 - I ZR 173/16 - ÖKO-TEST-Siegel
Probleme entstehen aber, wenn es sich bei dem benutzten Testsiegel um eine bekannte Marke handelt. Denn bei bekannten Marken kommt es auf eine Produktähnlichkeit nicht an. Es reicht für die Verletzung einer bekannten Marke aus, wenn man sich ohne rechtfertigenden Grund in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke begibt, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und, ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzt (BGH v. 12.12.2019 - I ZR 173/16 - ÖKO-TEST-Siegel).
Die Klägerin gibt seit 1985 das Magazin "ÖKO-TEST" heraus, in dem Waren- und Dienstleistungstests veröffentlicht werden. Sie ist Inhaberin einer im Jahr 2012 eingetragenen Unionsmarke, die das ÖKO-TEST-Siegel wiedergibt und markenrechtlichen Schutz für die Dienstleistungen "Verbraucherberatung und Verbraucherinformation bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen" gewährt. Die Klägerin gestattet den Herstellern und Vertreibern der von ihr getesteten Produkte die Werbung mit dem ÖKO-TEST-Siegel. Voraussetzung: Diese schließt mit ihr einen entgeltlichen Lizenzvertrag.
Die Beklagte hatte in ihrem Online-Shop mit dem ÖKO-TEST-Siegel geworben. Sie hatte keinen Lizenzvertrag mit der Klägerin geschlossen. Sie bot in ihrem Internetportal eine blaue Baby-Trinkflasche und einen grünen Baby-Beißring an. Beide Produkte hatte die Klägerin getestet. Neben den Produktpräsentationen fand sich jeweils eine Abbildung des ÖKO-TEST-Siegels, das mit der Bezeichnung des getesteten Produkts, dem Testergebnis "sehr gut" und der Fundstelle des Tests versehen war. Die Klägerin sah darin die Verletzung ihrer bekannten Marke. Sie hatte in dem Verfahren ein rechtsdemoskopisches Gutachten vorgelegt, wonach 61,7% der Bevölkerung das ÖKO-TEST-Siegel kennen.
Der Bundesgerichtshof hat eine Markenrechtsverletzung angenommen. Auch wenn die von der Marke erfassten Dienstleistungen (Verbraucherberatung und -information) und die von den Beklagten jeweils erbrachten Handelsdienstleistungen einander nicht ähnlich seien, sei doch die bekannte Marke verletzt. Denn hierfür reicht es aus, dass die jeweils angegriffene Zeichenverwendung die Wertschätzung der Klagemarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (BGH, Urteile vom 12. Dezember 2019, I ZR 173/16 - ÖKOTEST I, I ZR 174/16 und I ZR 117/17 - ÖKOTEST II)
Werbung mit "FOCUS-Empfehlung" bzw. TOP-Mediziner im Magazin FOCUS
Landgericht München I, Urteil vom 13.02.2023 - 4 HKO 14545/21
Das LG München I hat mit Urteil vom 13.02.2023 - 4 HKO 14545/21- die Verleihung und Veröffentlichung von "Ärzte-Siegeln" durch das Magazin "FOCUS" als irreführend angesehen. Die Wettbewerbszentrale hatte die Verleihung des Siegels "TOP-Medizinier" bzw. "FOCUS-Empfehlung" beanstandet. Denn diese vergibt der Verlag gegen eine Lizenz in Höhe von EUR 2.000,00 an Ärzte, die damit werben können. Das Gericht stellte fest, dass suggeriert würde, dass die betreffenden Ärzte, die als "TOP-Mediziner" bzw. als "FOCUS-Empfehlung" bezeichnet wurden, aufgrund einer neutralen und sachlichen Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung einnehmen würden. Die Siegel hätten die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den Medien auch als solche beworben. Tatsächlich würden aber die Empfehlungen auch auf subjektiven Elementen bruhen, wie z.B. Kollegenempfehlungen oder der Patientenzufriedenheit.
Testergebnisses und Testverfahren
Das Testergebnis darf mit eigenen Worten wiedergegeben werden, aber dabei nicht zu Gunsten des Werbenden verändert werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Testveranstalter das Ergebnis des vorangegangene Testverfahren zutreffend wiedergibt, solange das Testergebnis in einem seriösen Verfahren gewonnen wurde.
Beispiel:
Die Zeitschrift Connect führte im „Festnetz Heft 8/2015“ einen Test durch. Der Testsieger, ein Telekommunikationsunternehmen, erhielt das Siegel
Der Testsieger warb mit der Aussage „Das beste Netz“.
Der Zweitplatzierte wurde nur aufgrund von Problemen mit seiner Software und dem eingesetzten Router nicht Testsieger. Die Werbung mit dem Testergebnis war dennoch nicht irreführend. Denn der Inhalt des Testsiegels wurde zutreffend wiedergegeben. Solange es sich um einen seriösen Test mit objektiven Standards und Kriterien handelte, kommt es auf den Inhalt des Prüfverfahrens nicht an (BGH v. 24.1.2019 – I ZR 200/17 – Das beste Netz).
Pflicht zur Fundstellenangabe
Wer mit Testergebnissen wirbt, muss aber einen Hinweis auf die Fundstelle des Tests angeben (BGH v. 16.7.2009 - I ZR 50/07 - Kamerakauf im Internet). Angaben über Testurteile müssen leicht und eindeutig nachprüfbar sein. Das setzt voraus, dass überhaupt eine Fundstelle für den Test angegeben wird. Außerdem muss durch die Werbung die Fundstelle für den Verbraucher leicht zu finden sein.
Dieser Fundstellenhinweis muss bereits deutlich in der Werbung angegeben werden. Das kann auch mit einem deutlichen Sternchenhinweis geschehen, der den Verbraucher ohne weiteres zur Fundstelle des zitierten Tests führt. Der Verbraucher soll sich ohne größere Schwierigkeit den Test beschaffen können.
Werbung mit eigenen Umfragen
Keine Fundstelle muss angegeben werden, wenn in der Werbung nicht etwa auf einen (neutralen) Test, sondern auf eine eigene Umfrage hingewiesen wird.
Beispiel
Ein Telekommunikationsunternehmen warb mit dem folgenden Text:
„STARK in Kunden-Zufriedenheit”.*
* „Unser bislang bestes Ergebnis in der von uns beauftragten Befragung durch das Institut X“
Hier ist dem Leser klar, dass es sich nicht um ein neutrales Testergebnis handelt, sondern um eine selbst bezahlte Umfrage. Dementsprechend muss auch keine Fundstelle angegeben werden (OLG Bremen v. 27.8.2010 – 2 U 62/10 – Meine Nr. 1).
Alte Testergebnisse
Da in Werbung mit Testergebnissen die Fundstelle anzugeben ist (s.o.) ist eine Werbung mit älteren Testergebnissen nur dann irreführend, wenn der Test nicht inzwischen überholt ist (BGH v. 15.8.2013 – I ZR 197/12 – Werbung für Kaffee-Pads mit älteren Testergebnissen).
Werbung mit Prüfzeichen und Gütesiegeln
Publizität der Prüfkriterien?
Auch Prüfzeichen und Gütesiegel, z.B. „OEKO-TEX Standard 100“, müssen Fundstellenangaben enthalten. Denn der Verbraucher interessiert sich wie bei Testergebnissen (siehe oben) auch bei Prüfzeichen für die jeweiligen Prüfkriterien. Wer mit Prüfzeichen wirbt, ohne wenigstens – beispielsweise durch einen Link – anzugeben, wo im Internet kurze Zusammenfassungen über die Prüfkriterien zu finden sind, handelt wettbewerbswidrig.
Beispiel(BGH v. 21.7.2016 – I ZR 26/15 – LGA tested):
Ein Einzelhändler warb im Internet für einen Haarentferner mit zwei Prüfzeichen:
„LGA tested Quality“ und „LGA tested safety“.
Tatsächlich hatte das Gerät auch Prüfungen durchlaufen. Weder die Werbung, noch die Prüfzeichen selbst enthielten Hinweise zu den Zertifizierungen. Das war wettbewerbswidrig. Denn der Verbraucher muss wissen, was und wie geprüft wurde.
Man muss daher dem Verbraucher wenigstens eine Internetadresse nennen, unter der er sich über den wesentlichen Inhalt der Prüfbedingungen zusammengefasst informieren kann. Diese Informationen muss der Verbraucher schon in der Werbung mit dem Prüfzeichen finden. Es reicht nach dem BGH nicht aus, die Prüfbedingungen erst unmittelbar vor dem Kauf (z.B. in einem Geschäft) zur Verfügung zu stellen (BGH v. 21.7.2016 – I ZR 26/15 – LGA tested). Denn nach der Rechtsprechung ist schon der Entschluss, ein Geschäft zu betreten (ohne notwendigerweise schon kaufen zu wollen), eine „geschäftliche Entscheidung“ (EuGH v. 19.12.2013 – C-281/12 – Trento Sviluppo).
Konkret heißt das: Idealerweise befindet sich schon auf dem Prüfsiegel selbst eine Internetadresse, unter der zusammengefasst die Prüfkriterien abrufbar sind. Diese Pflicht trifft jeden, der mit einem Prüfsiegel wirbt.
Vergabe des Prüfsiegels durch neutrale Prüfstelle?
Ein Prüfzeichen oder Gütesiegel suggeriert aber auch, dass das Zeichen oder Siegel durch eine neutrale Stelle vergeben wurde. Neutral ist eine Stelle, wenn dort die Qualität der Produkte geprüft und die Nutzung des Prüfsiegels überwacht wird (BGH v. 4.7.2019 - I ZR 161/19 - IVD-Gütesiegel, nachfolgend OLG Düsseldorf v. 9.7.2020 - I-20 U 123/17, 20 U 123/17 - IVD-Gütesiegel). Dass für das Prüfsiegel Gebühren erhoben werden oder ein solches nur an Mitglieder eines Industrieverbands vergeben werden, muss einer Neutralität nicht entgegenstehen (BGH v. 4.7.2019 - I ZR 161/19 - IVD-Gütesiegel).
Abgeänderte Testsiegel
OLG Frankfurt v. 9.6.2022 - 6 U 12/22 - Ausgezeichnete Matratze
Gut, aber auch noch „ausgezeichnet“?
In einem einstweiligen Verfügungsverfahren stritten sich der Hersteller der Matratze „BODYGUARD“ mit dem Hersteller der Matratze „Emma One“. Letztere wurde umbenannt in „Emma Dynamic“. Die Matratze „Emma Dynamic“ erhielt im Federkernmatratzen-Test in Heft 10/2021 der Stiftung Warentest die Note 2,2. Damit war sie die beste Matratze im Test. Für diese Matratze warb der Hersteller dieser Matratze mit dem oben dargestellten Logo. Das Wort „AUSGEZEICHNET“ hatte der Matratzenhersteller selbst hinzugefügt. Das sei irreführend, meinte sein Konkurrent. Denn die Stiftung Warentest habe über die Note 2,2 hinaus für die Matratze keine weitere Auszeichnung vergeben.
„Ausgezeichnet“ als Aussage der Stiftung Warentest?
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main gab dem Mitbewerber in der Berufungsinstanz Recht: Wer die Werbung betrachte, rechne die Aussage „AUSGEZEICHNET“ der Stiftung Warentest zu und nicht dem Matratzenhersteller. Diese habe aber keine weitere Auszeichnung vergeben. Es sei aber nicht unüblich, dass die Stiftung Warentest weitere Auszeichnungen vergebe, wie z.B. „Preis-Leistungs-Sieger“ oder „Testsieger“. Daher sei die Werbung irreführend, so das Gericht.
Selbst vergebene Prüfsiegel
Die Nutzung eines Gütesiegels, das nicht aufgrund objektiver Prüfung einer unabhängigen Stelle, sondern nur aufgrund einer Selbstauskunft vergeben wird, ist eine irreführende geschäftliche Handlung (OLG Köln v. 5.3.2018 - 6 U 151/17)
Testfundstelle in Suchmaschinenwerbung: Auch in Google Ads muss eine Testfundstelle angegeben werden
OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 13.01.2022, 6 U 161/21 - Meistverkauft
Wer mit Testergebnisse wirbt, muss nach ständiger Rechtsprechung in der Werbung die Fundstelle des Tests angeben. Dies kann er auch mit einem Strernchenhinweis machen. So sollen Verbraucherinnen und Verbraucher auf einfachem Weg selbst den Test wahrnehmen können (BGH v.16.7. 2009 - I ZR 50/07 - Kamerakauf im Internet). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Platz für die Werbeaussage aufgrund des Mediums beschränkt ist und ein Sternchenhinweis unmöglich ist, so wie das typischerweise bei Google Ads der Fall ist. Auch eine Fundstellenangabe auf der Landingpage der Google Ad-Anzeige reicht nicht aus.
Der Fall: Ein Matrazenhersteller warb in der oben dargestellten Google Ad mit einer Matratze als „Testsieger“. Nach einem Klick auf die Anzeige gelangte man auf die Landingpage. Diese enthielt neben der eigentlichen Werbung auch eine Testfundstelle. Das reichte nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht aus. Denn der Verbraucher müsse die Testfundstelle eindeutig und leicht finden können und zwar bevor er sich entschließe, sich mit dem Angebot näher zu befassen. Wenn der Verbraucher auf der Landingpage gelangt sei, habe er sich bereits mit dem Angebot befasst. Auch der Umstand, dass der Platz in einer Google Ad begrenzt ist, ändere daran nichts. Es genüge ja eine wenige Zeichen umfassende Angabe, z.B. „Stiftung Warentest Heft 2/21.