Beiträge auf virtuellen Marktplätzen, in Themenforen, Kommentare oder Blogs aber auch Verkaufsangebote auf Handelsplattformen, werden vom Nutzer eingestellt. Der Plattformbetreiber bekommt Traffic, Provisonen oder Werbeerlöse. Im Gegenzug gibt es Umsatz oder jedenfalls Aufmerksamkeit, Anerkennung und das Gefühl, zu einer „Community" zu gehören. Verkaufsplattformen, Blogs, Foren, Ratgeber-Communities und Social Networks leben vom „Mitmachweb". Schnell können dabei Rechte verletzt werden: Woher die Texte, Bilder, Videos oder Logos tatsächlich stammen, kann der Plattformbetreiber kaum überprüfen. Verstöße gegen das Urheberrecht, das Markenrecht oder das Wettbewerbsrecht sind für viele Plattformbetreiber tägliches Geschäft. Viele Foren und Blogs erlauben außerdem anonyme oder pseudonyme Beiträge und Kommentare. Impulsive Naturen können sich dort ohne größeres Riskiko mit persönlichen Beleidigungen oder Verunglimpfungen der Wettbewerber erleichtern. Der Betroffene mag sich da fragen, ob er nicht direkt gegen den Plattformbetreiber vorgehen kann, als gegen eine anonymen oder pseudonymen Nutzer.
Haftet der Plattformbetreiber?
Wer eine solche Plattform betreibt, steht daher schnell vor der Frage: „Wie und wie weit haftet er eigentlich für Inhalte, die ihm seine Nutzer erstellt und eingestellt haben? Kann er sich darauf berufen, er selbst stelle nur eine Plattform zur Verfügung, verantwortlich für die Inhalte sei der Nutzer?
Inhalte „zu eigen machen" – die Haftung als „Täter" für fremden Content
Als „Täter" einer Rechtsverletzung haftet ein Plattformbetreiber, wenn er sich die von den Nutzern generierten Inhalte „zu eigen macht". „Zu eigen machen" heißt: Fremde Inhalte werden dem Plattformbetreiber aufgrund bestimmter Umstände als eigene zugerechnet. Fremder Content wird also behandelt, also ob er selbst erstellt worden wäre. Hierfür werden Indizien herangezogen. Man fragt also: Indentifiziert sich der Plattformbetreiber mit den fremden Inhalten und hat er diese so das eigene Angebot integriert und verwertet, dass er die „inhaltliche Verantwortung" übernommen hat? Wer z.B. als Plattformbetreiber die von den Nutzern hochgeladenen Beiträge und Fotos konsequent mit dem eigenen Logo kennzeichnet, übernimmt unter Umstände die inhaltliche Verantwortung für diese eingestellten Inhalte (so in dem Fall BGH Urteil v. 12.11.2009 – Az. I ZR 166/07 – marions-kochbuch.de).
Weitere Indizien: In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden dem Plattformbetreiber umfassende Nutzungsrechte zur wirtschaftlichen Verwertung eingeräumt, der Plattformbetreiber übernimmt die redaktionelle Verantwortung, indem er die Inhalte erst nach einer Überprüfung freischaltet. Dass man den Inhalt als fremd kennzeichnet, schützt nicht vor einer solche Zurechnung. Die Konsequenzen können gravierend sein: Der Betreiber muss nicht nur künftige Rechtsverletzungen verhindern und dem in seinen Rechten Verletzten die erforderlichen Kosten einer Abmahnung (siehe hierzu: Abmahnkosten)
Fremder Content bleibt fremd – die Haftung als „Störer"
Auch wenn sich der Betreiber einer Internetplattform die dort veröffentlichten Inhalte nicht zu eigen macht, droht immer noch die Haftung als sog. „Störer". Ein Störer muss zwar nur dafür sorgen, dass die Rechtsverletzung gelöscht und künftige Rechtsverletzungen verhindert werden. Er haftet aber grundsätzlich nicht für die durch die Rechtsverletzung entstandenen Schäden. Auch Kosten einer Abmahnung muss er regelmäßig nicht erstatten.
Grundsatz: Keine Prüfpflicht ohne Anlass
Der Bundesgerichtshof betont immer wieder, dass ein Plattformbetreiber ohne Anlass seine Plattform nicht ständig auf mögliche Rechtsverletzungen überprüfen muss (z. B. BGH Urteil vom 17.12.2010 – Az. V ZR 44/10). Eine solche Prüfpflicht wäre mit einem an sich zulässigen Geschäftsmodell nicht vereinbar und widerspräche auch Europäischem Recht.
Von dem Zeitpunkt an, an dem er von einer Rechtsverletzung erfährt, etwa durch eine Abmahnung oder einen Schutzrechtshinweis, ist der Plattformbetreiber „Störer". Er muss nun alles ihm zumutbare tun, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern. Er muss die rechtsverletzenden Inhalte löschen, auf die er hingewiesen wurde und muss dafür sorgen, dass künftig „gleichartige" Rechtsverletzungen nicht mehr vorkommen.
Der Aufwand hierfür kann beträchtlich werden. Wer z. B. als Plattformbetreiber auf eine markenrechtsverletzendes Verkaufsangebot hingewiesen wurde, muss nämlich nicht nur dafür sorgen, dass dieses Angebot gelöscht wird. Löschen muss er auch vergleichbare markenrechtsverletzende Produktangebote derselben Marke. Tut er dies nicht, kann derjenige, dessen Rechte durch die Plattforminhalte erneut verletzt werden, dem Plattformbetreiber gerichtlich verbieten lassen, diese Rechtsverletzung zu ermöglichen.
Zur Prüfpflicht für Betreiber von Meinungsforen hat sich der Bundesgerichtshof bisher nicht geäußert. Hier kann die Form rechtsverletzender Äußerungen theoretisch unendlich viele Gestalten annehmen. Der Einsatz einer Suchsoftware wird daher schon deswegen keinen Erfolg versprechen, weil hier nicht klar ist, wonach gesucht werden soll. Anders kann es sein, wenn sich eine weitere Rechtsverletzung in einem bestimmten Forum zu wiederholen droht. Das OLG Hamburg verlangte vor einigen Jahren, dass bei einem Aufruf in einem Forum, einen bestimmten Server durch viele Downloads in die Knie zu zwingen, der Forumsbetreiber künftig jedenfalls den betroffenen Thread auf vergleichbare Aufrufe hin überprüfen muss (OLG Hamburg MMR 2006, 744 – heise.de).
Umfang der Prüfpflicht - der „Einzelfall"
Wie umfangreich zu prüfen ist, entscheidet demnach der berühmte „Einzelfall". Einige Grundregeln zeichnen sich ab:
Je eher Rechtsverletzungen möglich sind, desto umfangreicher und intensiver muss künftigen Rechtsverletzungen vorgebeugt werden. Wer also beispielsweise seine Nutzer anonym oder pseudonym agieren lässt, muss umfangreichere Vorkehrungen treffen als derjenige, der die Identität seiner Nutzer überprüft. Umgekehrt müssen dort weniger Vorkehrungen getroffen werden, wo Hemmschwellen oder Kontrollmechanismen eingebaut werden. Solche Kontrollmechanismen könnten etwa Pflichtangaben über die Inhaberschaft an Rechten an den eingestellten Inhalten sein.
Die Prüfung darf aber nicht technisch oder wirtschaftlich unzumutbar werden. Unzumutbar ist nach der Rechtsprechung in der Regel eine Prüfung, die ausschließlich aufwändig manuell durchgeführt werden müsste (BGH, Urteil vom 19.4.2007 – I ZR 35/04 – Internet-Versteigerung II) . Dem Betreiber einer Handelsplattform kann es nicht zugemutet werden, nach Rechtsverletzungen zu suchen, die nur durch eine aufwändige manuelle Prüfung auffindbar wären. Der Einsatz einer Suchsoftware ist einem Plattformbetreiber bei Markenrechtsverletzungen auch in aller Regel zumutbar. Was zumutbar ist, entscheidet letztendlich auch der Charakter des Plattformbetreibers: Der Betreiber eines Forums, das überwiegend nichtgewerbliche Zwecke verfolgt, hat geringere Prüfpflichten, als der Betreiber eines Portals, der in erster Linie eine Plattform zur zielgruppenorientierten Platzierung für seine Werbepartner zur Verfügung stellt und sich umfangreiche Nutzungsrechte seiner Nutzer zur Weiterverwertung abtreten lässt.
Bundesgerichtshof: Der Plattformbetreiber muss nicht die Arbeit übernehmen, die der Schutzrechtsinhaber selbst übernehmen könnte
Wer seinen Nutzern aber selbst Software zur Überprüfung von Rechtsverletzungen zur Verfügung stellt, hat grundsätzlich geringere Prüfpflichten (BGH, Urteil vom 22.7.2010 – I ZR 139/08 – Kinderhochstühle im Internet). Stellt der Plattformbetreiber also eine Software zur Verfügung, mit dessen Hilfe ein Rechteinhaber selbst nach Rechtsverletzungen suchen kann, so muss er diese Arbeit nicht selbst übernehmen. Aus diesem Grund hatte der BGH die Klage eines Markenhändlers gegen eBay abgewiesen. Mit dieser Klage wollte man Auktionen für bestimmte Markenkinderstühle verhindern. Der BGH wies die Klage ab: Der Markeninhaber könne mit Hilfe des von eBay zur Verfügung gestellten VeRI-Programms ohne weiteres selbst nach markenrechtsverletzenden Angeboten suchen. Auch eine anschließende manuelle Kontrolle sei dem Markeninhaber zuzumuten. Eine solche manuelle Kontrolle sei eBay selbst aber nicht zuzumuten und würde das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen. Wer also seinen Nutzern eine geeignete Software zur Überprüfung von Schutzrechtsverletzungen zur Verfügung stellt, kann seinen Aufwand zur Überprüfung erheblich reduzieren.