Ob das Angebot von Rest- und Sonderposten eine Markenrechtsverletzung darstellt, hängt im Wesentlichen davon ab, ob diese erstmals vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung in der EU oder im EWR verkauft wurde. Entscheidend ist also, woher die Ware stammt und ob diese bereits zuvor verkauft oder aber nur zwar Angeboten, aber übrig geblieben ist. Ob es sich im "Orignalware" handelt, ist irrelevant.
Grauwaren - Der Fall BGH Urteil v. 15.3.2012 – I ZR 137/10 – CONVERSE II:
Ob eine Markenrechtsverletzung vorliegt, richtet sich nach § 24 Abs. 1 MarkenG bzw. Art. 13 Gemeinschaftsmarkenverordnung alleine danach, ob die Ware mit Zustimmung des Markeninhabers erstmals mit Zustimmung des Markeninhabers in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Wirtschaftsraums (= EU + Island, Liechtenstein und Norwegen) verkauft wurde (vgl. EuGH v. 30.11.2004 – C-16/03 – Peak Holding AB / Axolin-Elinor AB, Rz. 44). Wörtlich heißt es in OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.10.2012 - I-20 U 193/11 - Kerngleichheit des Vertriebs von gefälschter und nicht erschöpfter Ware:
Einer Aufklärung, ob es sich tatsächlich um Fälschungen handelt, bedarf es nicht. Die Reichweite des Unterlassungsanspruchs wird nur durch das Kriterium der Zustimmung des Markeninhabers begrenzt, allein deren Fehlen ist das Charakteristische der Verletzungshandlung.
Der Fall BGH, Urteil vom 15.03.2012 - I ZR 137/10 - Converse II: Freizeitschuhe der Marke „Converse All Star Chuck Taylor“ waren bei Metro angeboten worden. Es hatte sich um Originalwaren gehandelt, die sich Metro von Zwischenhändlern in Slowenien und Frankreich beschafft hatte. Geklagt hatte die ausschließliche Lizenznehmerin der amerikanischen Markeninhaberin (Converse Inc.). Sie behauptete, die Schuhe seien niemals mit Zustimmung der Converse Inc. nach Europa gelangt. Die Markenrechte seien daher nicht „erschöpft“, das Angebot verletze die Marke. Metro wiederum behauptete, die Schuhe seien mit Zustimmung der Markeninhaberin nach Slowenien geliefert worden. Beweisen konnte Metro das aber nicht. Nach der Rechtsprechung muss sich in einem Markenrechtsprozess derjenige, der sich auf eine Erschöpfung beruft, diese auch beweisen. Da Metro dies nicht konnte, wurde Metro wegen Verletzung der Marke verurteilt.
Angebote von mangelhafter Ware aus Händlerretouren beim Discounter: LG München I, Urteil v. 6.3.2012 – 1 HK O 24878/11
Das Landgericht München I hielt sogar eine Rückabwicklung eines Kaufvertrags über Sportsocken wegen Mängeln der Ware Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises als ein Inverkehrbringen mit Zustimmung des Markeninhabers. In dem Fall war ein Kaufvertrag über mehrere Tausend Stück Markensportsocken wegen angeblicher Mängel rückabgewickelt worden. Der Lieferant hatte die Socken zurückgenommen und dem Markeninhaber den Kaufpreis zurückerstattet. Der Markeninhaber überließ dem Lieferanten die Sportsocken ohne jede Einschränkung. Anschließend tauchten die Socken bei einem Discounter wieder auf.
Das Landgericht München I sah darin ein wirksames Inverkehrbringen durch den Markeninhaber. Denn dieser hätte ja auch einen Weitervertrieb vertraglich beschränken können oder auf eine Vernichtung der Socken bestehen können. Die Markenrechte seien erschöpft. Die markenrechtliche Verletzungsklage des Markeninhabers wurde abgewiesen.
Das Urteil dürfte aus mehreren Gründen falsch sein. Zum einen kann nach der Rechtsprechung des EuGH eine vertragliche Beschränkung des Weitervertriebs eine Erschöpfungswirkung ohnehin nicht ausschließen. Der EuGH fordert für den Eintritt der Erschöpfung aber auch ausdrücklich einen Verkauf der Ware durch den Markeninhaber. Eine Erschöpfung setze voraus, dass der Markeninhaber den wirtschaftlichen Wert seiner Marke realisieren könne. Ohne Verkauf tritt keine Erschöpfung ein (EuGH v. 30.11.2004 – C-16/03 – Peak Holding AB / Axolin-Elinor AB). Daran hat es aber in dem vom Landgericht München I entschiedenen Fall gefehlt.
Dennoch sollte ein Markeninhaber in derartigen Fällen auf einer Vernichtung der Ware bestehen. Denn nur so kann mit Sicherheit ein markenschädigender Weitervertrieb ausgeschlossen werden.
Musterware, Testartikel, kostenlose Proben
Gelegentlich taucht auch Musterware wieder bei einem Discounter auf. Ob diese Angebote die Marke verletzen, hängt ebenfalls davon ab, ob diese Ware vom Markeninhaber erstmals in der EU verkauft wurde. Wenn solche Musterware nicht für den Verkauf bestimmt sind und dies auch deutlich wird, z.B. indem die Artikel mit „nicht zum Verkauf“ oder „unverkäuflich“ gekennzeichnet sind, liegt nach der Rechtsprechung des EuGH kein erstmaliges Inverkehrbringen mit Zustimmung des Markeninhabers vor (EuGH v. 12.7.2011 – C-324/09 – L'Orà©al SA u.a. / eBay International AG u.a.; EuGH Urteil v. 3.6.2010, C-127/09 – Coty Prestige Lancaster Group GmbH / Simex Trading AG).
Ein Anbieten solcher Test- oder Musterprodukte wäre eine Markenrechtsverletzung und zudem ein Wettbewerbsverstoß in Gestalt einer Irreführung über die Verkehrsfähigkeit eines Produkts nach § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Anhang („schwarze Liste) Nr. 9.
Veränderung oder Verschlechterung der Ware beim Wiederverkauf
Der Markeninhaber muss aber nicht jeden Wiederverkauf hinnehmen. Insbesondere wenn sich der Zustand der Ware nach dem ersten Inverkehrbringen verschlechtert, muss dies der Markeninhaber nicht dulden. Werden z. B. Textilien vom Wiederverkäufer umgefärbt angeboten, muss dies der Markeninhaber nicht dulden (BGH Urteil v. 14.12.1995 – I ZR 210/93 – Gefärbte Jeans).
Schädigung des Rufs bei Luxusartikeln
Auch eine Schädigung des Rufs bei Luxusartikeln muss ein Markeninhaber nicht hinnehmen. Dass die Art und Weise des Wiederverkaufs den Ruf der Marke schädigen kann, reicht nach europäischer Rechtsprechung allerdings nicht. Der Markeninhaber müsse vielmehr beweisen, dass dies auch tatsächlich geschehen ist. Den Wiederverkauf von Markenware ohne Verpackung (und die Werbung hierfür) beispielsweise kann nach der Rechtsprechung des EuGH daher nur verbieten, wer nachweist, dass ein solcher Wiederverkauf das Image der Ware und den Ruf der Marke auch tatsächlich schädigt (vgl. EuGH v. 12.7.2011 – C-324/09 – L'Oreal SA u.a. / eBay International AG u.a.). Die deutsche Rechtsprechung ist weniger zurückhaltend. Nach dieser soll es ausreichen, wenn eine Rufschädigung von Luxusware auch nur möglich ist, unabhängig davon, ob der Ruf tatsächlich geschädigt wurde (OLG München, Urt. v. 8.11.2018 – 29 U 3700/17 - SISLEY).
Beispiel:
Ein Discounter bot Luxuskosmetika auf seiner Onlineplattform an. Diese Luxusartikel wurden an sich nur in einem selektiven Vertriebssystem durch ausgewählte Verkäufer angeboten. Die Onlineplattform enthielt viele Sonderangebote. Auf ihr wurden die Luxusartikel neben billigen Handelsmarken und Massenprodukten angeboten. Eine ebenfalls angebotene Finanzierung machte die Ware für jeden erschwinglich. Auf der Onlineplattform des Discounters tummelten sich auch Drittanbieter. Das sollen markenrechtsverletzend sein, weil dadurch der Ruf der Luxuswaren beträchtlich Schaden nehmen könne (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2018 - I-20 U 113/17 - Japanischer Kosmetikhersteller).