Erschöpfung

Woher kommt die Ware? Die "Erschöpfung" im Markenrecht

Die markenrechtliche Erschöpfung des Weitervertriebsrechts

Auch Originalware kann Marken verletzen

Weder das Markengesetz, noch die Unionsmarkenverordnung kennen den Begriff „Originalware“. Markenrechtsverletzend ist Ware, die nicht mit Zustimmung des Markeninhabers erstmals in Europa (genauer: im Gebiet des EWR) verkauft wurde. Das folgt aus dem "Erschöpfungsgrundsatz" (§ 24 Abs. 1 MarkenG bzw. Art. 15 Abs. 1 Unionsmarkenverordnung). Nach dem Erschöpfungsgrundsatz ist der Weitervertrieb von Markenware unter bestimmten Voraussetzungen keine Markenrechtsverletzung. Erlaubt ist dann auch die Werbung mit der Marke für diese Waren. Wegen des Erschöpfungsgrundsatzes können auch Angebote von "Originalware" markenrechtsverletzend sein (siehe unten).

Markenrechtliche "Erschöpfung" für jede Markenwerbung relevant

"Inverkehrbringen" mit Zustimmung des Markeninhabers

Grundsätzlich ist es nach dem Markenrecht Sache des Markeninhabers, zu entscheiden, wo und wie er die Markenware erstmals in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in den Markt („in den Verkehr“) bringt.

Der Begriff „Erschöpfung“ bedeutet, dass der Markeninhaber den Weitervertrieb einer mit seiner Zustimmung in der EU in Verkehr gebrachten Ware nicht mehr verbieten kann. Die Weitervertriebsrechte des Markeninhabers sind dann also "erschöpft". Der Markeninhaber kann sich dann mit seiner Marke nicht mehr gegen nachfolgende Angebote der Ware wehren. Erlaubt ist dann auch eine Werbung mit der Marke (BGH, Urteil vom 17. 7. 2003 - I ZR 256/00 - Vier Ringe über Audi). Der Erschöpfungsgrundsatz ist daher für jede Werbung mit Markenware relevant.

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Alles, was Sie über das Instrument der Abmahnung wegen Markenrechtsverletzung wissen müssen

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Die strafbewehrte Unterlassungserklärung

Die Konsequenzen der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung im Fall einer Markenrechtsverletzung

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Markenanmeldung

Markenarten, Schutzfähigkeit, Anmeldestrategien - Was Sie über eine Markenanmeldung wissen müssen

"Inverkehrbringen" heißt "verkaufen"

Gemeint ist mit Inverkehrbringen ein erstmaliges Verkaufen: Sind die Markenwaren erstmals mit Zustimmung des Markeninhabers in der EU oder im EWR verkauft worden, darf an sich jedermann die Ware weiterverkaufen. Die Markenrechte sind dann „erschöpft“, d. h. der Markeninhaber kann einen Wiederverkauf in den meisten Fällen nicht mehr verhindern. Das Recht des Markeninhabers, die Ware erstmalig zu verkaufen, sollen es dem Markeninhaber ermöglichen, „den wirtschaftlichen Wert seiner Marke zu realisieren“ (EuGH v. 30.11.2004 – C-16/03 – Peak Holding AB / Axolin-Elinor AB).

Bloßes Anbieten reicht für Erschöpfung nicht

Ein bloßes Anbieten reicht nach der Rechtsprechung des EuGH für ein Inverkehrbringen durch den Markeninhaber nicht aus. Die Ware muss auch in der EU oder im EWR verkauft worden sein, damit sie zulässigerweise weiterverkauft werden kann. Wenn also Überschussware an einen außereuropäischen Postenhändler weiterverkauft wurde, die zuvor vergeblich in der EU oder im EWR angeboten wurde, darf sie nicht ohne Weiteres weiterverkauft werden. Denn dann tritt keine Erschöpfung ein.

Erschöpfung bei Wiederverkäufern mit mehreren Marken

BGH v. 28.6.2018, I ZR 236/16 - keine-vorwerk-vertretung

Ein Onlinehändler für gebrauchte Vorwerk-Staubsauger und Vorwerk-Zubehör hatte seinen Onlineshop unter der Domain „keine-vorwerk-vertretung.de“ konnektiert. Hierfür hatte er auch Google-Ads geschaltet. In seinem Onlineshop bot er außerdem auch Zubehör anderer Marken an (siehe Bild oben).

Der Kläger behauptete, dies sei eine Markenrechtsverletzung, nämlich eine Verletzung der bekannten Marke Vorwerk nach § 14 II Nr. 3 MarkenG. Außerdem würden auch seine - nicht (i.S.d. § 14 II Nr. 3 MarkenG) bekannten Marken „Kobold“ und „Tiger“ verletzt. Denn diese würden auf der Website auch als Rubriken verwendet, unter denen aber auch kompatible Konkurrenprodukte angeboten würden. Dabei würde ein erklärender Zusatz „passend für“ fehlen (siehe Bild oben). Der Beklagte berief sich auf den Erschöpfungsgrundsatz: Da die angebotenen Waren mit Zustimmung des Markeninhabers in der EU verkauft worden waren, sei das Markenrecht für den Weitervertrieb „erschöpft“. Die Ware habe daher auch in der Werbung benutzt werden dürfen.

Der BGH hat seine bisherige "Aidol"-Rechtsprechung präzisiert. Grundsätzlich ist es nach dem Markenrecht Sache des Markeninhabers, zu entscheiden, wo und wie er die Markenware erstmals in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in den Markt („in den Verkehr“) bringt. In seiner AIDOL-Entscheidung hatte der BGH eine Erschöpfung nur für solche Internetseite angenommen, auf denen auch Originalprodukte angeboten werden: Die Adwords-Werbung (jetzt: Google Ads) musste sich gerade auf solche Internetseite (Landingpages) beziehen, auf denen die betreffenden Markenprodukte auch angeboten werden. Sie ist nicht erlaubt, wenn sich die Werbung auf solche Seiten bezieht, auf denen andere Produkte angeboten werden (BGH, Urteil v. 8.2.2007 - I ZR 77/04 - AIDOL). Dies hat der BGH nun für die Situation von Wiederverkäufern, die neben Originalwaren auch Produkte anderer Hersteller vertreiben, relativiert: In diesen Fällen kommt es darauf an, ob berechtigte Interessen des Markeninhabers gewahrt bleiben. Denn ein Wiederverkäufer für Produkte mehrerer Marken muss diese Marken ja benutzen, um auf sein Geschäft hinzuweisen.

Bei einem Wiederverkäufer fehle es nicht am Bezug auf konkret von der Erschöpfung erfassten Produkte, nur weil er neben Markenprodukten auch Fremdprodukte anbietet. Der BGH zweifelte aber auch hier, ob der Markeninhaber sich nach § 24 II MarkenG gegen die Benutzung der Bezeichnung aus berechtigten Gründen wehren konnte. Der BGH hat daher den Fall an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen. Dieses muss nun prüfen, ob es berechtigte Gründe für den Markeninhaber gibt, mit denen er sich einer Nutzung der Marken widersetzen kann. Der BGH hat gleichwohl die Marschrichtung vorgegeben: Er tendiert dazu, die Nutzung der Marke in der Domain für unzulässig zu halten, weil sie das für einen Hinweis auf die Markenwaren erforderliche Maß übersteigt. Das gleiche gilt für die Nutzung der Marken in den Rubriken des Onlineshops.

Restposten, Sonderposten, Retouren, Import von "Originalware" und Grauware

Ob das Angebot von Rest- und Sonderposten eine Markenrechtsverletzung darstellt, hängt im Wesentlichen davon ab, ob diese erstmals vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung in der EU oder im EWR verkauft wurde. Entscheidend ist also, woher die Ware stammt und ob diese bereits zuvor verkauft oder aber nur zwar Angeboten, aber übrig geblieben ist. Ob es sich im "Orignalware" handelt, ist irrelevant.

Grauwaren - Der Fall BGH Urteil v. 15.3.2012 – I ZR 137/10 – CONVERSE II:

Ob eine Markenrechtsverletzung vorliegt, richtet sich nach § 24 Abs. 1 MarkenG bzw. Art. 13 Gemeinschaftsmarkenverordnung alleine danach, ob die Ware mit Zustimmung des Markeninhabers erstmals mit Zustimmung des Markeninhabers in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Wirtschaftsraums (= EU + Island, Liechtenstein und Norwegen) verkauft wurde (vgl. EuGH v. 30.11.2004 – C-16/03 – Peak Holding AB / Axolin-Elinor AB, Rz. 44). Wörtlich heißt es in OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.10.2012 - I-20 U 193/11 - Kerngleichheit des Vertriebs von gefälschter und nicht erschöpfter Ware:

Einer Aufklärung, ob es sich tatsächlich um Fälschungen handelt, bedarf es nicht. Die Reichweite des Unterlassungsanspruchs wird nur durch das Kriterium der Zustimmung des Markeninhabers begrenzt, allein deren Fehlen ist das Charakteristische der Verletzungshandlung.

Der Fall BGH, Urteil vom 15.03.2012 - I ZR 137/10 - Converse II: Freizeitschuhe der Marke „Converse All Star Chuck Taylor“ waren bei Metro angeboten worden. Es hatte sich um Originalwaren gehandelt, die sich Metro von Zwischenhändlern in Slowenien und Frankreich beschafft hatte. Geklagt hatte die ausschließliche Lizenznehmerin der amerikanischen Markeninhaberin (Converse Inc.). Sie behauptete, die Schuhe seien niemals mit Zustimmung der Converse Inc. nach Europa gelangt. Die Markenrechte seien daher nicht „erschöpft“, das Angebot verletze die Marke. Metro wiederum behauptete, die Schuhe seien mit Zustimmung der Markeninhaberin nach Slowenien geliefert worden. Beweisen konnte Metro das aber nicht. Nach der Rechtsprechung muss sich in einem Markenrechtsprozess derjenige, der sich auf eine Erschöpfung beruft, diese auch beweisen. Da Metro dies nicht konnte, wurde Metro wegen Verletzung der Marke verurteilt.

Angebote von mangelhafter Ware aus Händlerretouren beim Discounter: LG München I, Urteil v. 6.3.2012 – 1 HK O 24878/11

Das Landgericht München I hielt sogar eine Rückabwicklung eines Kaufvertrags über Sportsocken wegen Mängeln der Ware Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises als ein Inverkehrbringen mit Zustimmung des Markeninhabers. In dem Fall war ein Kaufvertrag über mehrere Tausend Stück Markensportsocken wegen angeblicher Mängel rückabgewickelt worden. Der Lieferant hatte die Socken zurückgenommen und dem Markeninhaber den Kaufpreis zurückerstattet. Der Markeninhaber überließ dem Lieferanten die Sportsocken ohne jede Einschränkung. Anschließend tauchten die Socken bei einem Discounter wieder auf.

Das Landgericht München I sah darin ein wirksames Inverkehrbringen durch den Markeninhaber. Denn dieser hätte ja auch einen Weitervertrieb vertraglich beschränken können oder auf eine Vernichtung der Socken bestehen können. Die Markenrechte seien erschöpft. Die markenrechtliche Verletzungsklage des Markeninhabers wurde abgewiesen.

Das Urteil dürfte aus mehreren Gründen falsch sein. Zum einen kann nach der Rechtsprechung des EuGH eine vertragliche Beschränkung des Weitervertriebs eine Erschöpfungswirkung ohnehin nicht ausschließen. Der EuGH fordert für den  Eintritt der Erschöpfung aber auch ausdrücklich einen Verkauf der Ware durch den Markeninhaber. Eine Erschöpfung setze voraus, dass der Markeninhaber den wirtschaftlichen Wert seiner Marke realisieren könne. Ohne Verkauf tritt keine Erschöpfung ein (EuGH v. 30.11.2004 – C-16/03 – Peak Holding AB / Axolin-Elinor AB). Daran hat es aber in dem vom Landgericht München I entschiedenen Fall gefehlt.

Dennoch sollte ein Markeninhaber in derartigen Fällen auf einer Vernichtung der Ware bestehen. Denn nur so kann mit Sicherheit ein markenschädigender Weitervertrieb ausgeschlossen werden.

Musterware, Testartikel, kostenlose Proben

Gelegentlich taucht auch Musterware wieder bei einem Discounter auf. Ob diese Angebote die Marke verletzen, hängt ebenfalls davon ab, ob diese Ware vom Markeninhaber erstmals in der  EU verkauft wurde. Wenn solche Musterware nicht für den Verkauf bestimmt sind und dies auch deutlich wird, z.B. indem die Artikel mit „nicht zum Verkauf“ oder „unverkäuflich“ gekennzeichnet sind, liegt nach der Rechtsprechung des EuGH kein erstmaliges Inverkehrbringen mit Zustimmung des Markeninhabers vor (EuGH v. 12.7.2011 – C-324/09 – L'Orà©al SA u.a. / eBay International AG u.a.; EuGH Urteil v. 3.6.2010, C-127/09 – Coty Prestige Lancaster Group GmbH / Simex Trading AG).

Ein Anbieten solcher Test- oder Musterprodukte wäre eine Markenrechtsverletzung und zudem ein Wettbewerbsverstoß in Gestalt einer Irreführung über die Verkehrsfähigkeit eines Produkts  nach § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Anhang („schwarze Liste) Nr. 9.

Veränderung oder Verschlechterung der Ware beim Wiederverkauf

Der Markeninhaber muss aber nicht jeden Wiederverkauf hinnehmen. Insbesondere wenn sich der Zustand der Ware nach dem ersten Inverkehrbringen verschlechtert, muss dies der Markeninhaber nicht dulden. Werden z. B. Textilien vom Wiederverkäufer umgefärbt angeboten, muss dies der Markeninhaber nicht dulden (BGH Urteil v. 14.12.1995 – I ZR 210/93 – Gefärbte Jeans).

Schädigung des Rufs bei Luxusartikeln

Auch eine Schädigung des Rufs bei Luxusartikeln muss ein Markeninhaber nicht hinnehmen. Dass die Art und Weise des Wiederverkaufs den Ruf der Marke schädigen kann, reicht nach europäischer Rechtsprechung allerdings nicht. Der Markeninhaber müsse vielmehr beweisen, dass dies auch tatsächlich geschehen ist. Den Wiederverkauf von Markenware ohne Verpackung (und die Werbung hierfür) beispielsweise kann nach der Rechtsprechung des EuGH daher nur verbieten, wer nachweist, dass ein solcher Wiederverkauf das Image der Ware und den Ruf der Marke auch tatsächlich schädigt (vgl. EuGH v. 12.7.2011 – C-324/09 – L'Oreal SA u.a. / eBay International AG u.a.). Die deutsche Rechtsprechung ist weniger zurückhaltend. Nach dieser soll es ausreichen, wenn eine Rufschädigung von Luxusware auch nur möglich ist, unabhängig davon, ob der Ruf tatsächlich geschädigt wurde (OLG München, Urt. v. 8.11.2018 – 29 U 3700/17 - SISLEY).

Beispiel:
Ein Discounter bot Luxuskosmetika auf seiner Onlineplattform an. Diese Luxusartikel wurden an sich nur in einem selektiven Vertriebssystem durch ausgewählte Verkäufer angeboten. Die Onlineplattform enthielt viele Sonderangebote. Auf ihr wurden die Luxusartikel neben billigen Handelsmarken und Massenprodukten angeboten. Eine ebenfalls angebotene Finanzierung machte die Ware für jeden erschwinglich. Auf der Onlineplattform des Discounters tummelten sich auch Drittanbieter. Das sollen markenrechtsverletzend sein, weil dadurch der Ruf der Luxuswaren beträchtlich Schaden nehmen könne (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2018 - I-20 U 113/17 - Japanischer Kosmetikhersteller).

Umverpackung und Umettikettierung als Markenrechtsverletzung

Parallelimporte von Kosmetik, Arzneimitteln und Medizinprodukten

Nach ständiger Rechtsprechung besteht der spezifische Gegenstand der Marke darin, die Herkunft des mit ihr versehenen Erzeugnisses zu garantieren. Ein Umpacken dieses Erzeugnisses durch einen Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers gefährdet diese Herkunftsfunktion der Marke (vgl. EuGH, Urteil vom 10. November 2016 - C 297/15 - Ferring Lægemidler). Herkunftsgarantie bedeutet: Der Abnehmer muss sicher sein, dass ein anderer nicht auf einer früheren Vermarktungsstufe einen Eingriff an der Ware vorgenommen hat, der den Originalzustand beeinträchtigt. Das gilt nicht, wenn

  • nachgewiesen ist, dass es zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beitrüge, wenn der Markeninhaber sein Markenrecht verwendete, um die Vermarktung erneut mit dieser Marke etikettierter Erzeugnisse zu verhindern,
  • die Neuetikettierung den Originalzustand des Erzeugnisses nicht berührt,
  • die Aufmachung des neuetikettierten Erzeugnisses dem guten Ruf der Marke und ihres Inhabers nicht schaden kann, und
  • derjenige, der die Neuetikettierung vornimmt, den Markeninhaber vorab vom Verkauf der neuetikettierten Erzeugnisse unterrichtet
    (EuGH v. 11.11.1997 – C-349/95 – Loendersloot/Ballantine).

Der Markeninhaber hat daher das Recht, sich dagegen zu wehren, dass ein Dritter nach dem Umpacken der Ware das Warenzeichen ohne Zustimmung des Markeninhabers auf der neuen Umhüllung anbringt (EuGH, Urteil vom 23. 5. 1978 - Rs 102/77- Hoffmann-La Roche/Centrafarm). Auch wenn der Markeninhaber das Erzeugnis in einer doppelten Verpackung in den Verkehr gebracht hat und sich das Umpacken nur auf die äußere Umhüllung bezieht, während die innere Hülle unberührt bleibt, ist das eine Markenrechtsverletzung (EuGH, Urteil vom 23. 5. 1978 - Rs 102/77). Ein Markeninhaber muss es auch nicht dulden, wenn die Verpackung seiner Ware geöffnet wird, das Produkt entnommen und umetikettiert wird. Ein Öffnen der Verpackung und ein Austausch der Aufkleber gefährdet diese Herkunftsgarantie und den Originalzustand der Ware (vgl. OLG Frankfurt v. 7.3.2019 – 6 U 37/18 – Lipidkollaid-Wundauflage; BGH v. 12.5.2010 – I ZR 185/07 – One Touch Ultra).

Umverpacken von parallelimportierten Arzneimitteln und Medizinprodukten

Bei Arzneimitteln und Medizinprodukten hat der Markeninhaber ein besonderes Interesse daran, dass die Herkunftsgarantie seiner Marke nicht beeinträchtigt wird (BGH, Beschl. v. 06. 10. 2016 – I ZR 165/15 – Debrisoft). Anderseits müssen Arzneimittel, wenn sie aus dem Ausland importiert werden, oft umverpackt und neu etikettiert werden. Beispielsweise muss ein Beipackzettel in deutscher Sprache beigelegt, das Sicherheitsmerkmal auf der Verpackung und eine Pharmazentralnummer (PZN) aufgebracht werden, die den "pharmazeutischen Unternehmer" identifiziert. Deshalb stellt nicht jedes Umpacken eine Markenrechtsverletzung dar. Ein Markeninhaber kann sich nach der Rechtsprechung des EuGH gegen einen Weitervertrieb eines parallelimportierten Arzneimittels dann nicht wehren, wenn er es umgepackt hat und die Marke wieder aufgebracht hat und weitere Voraussetzungen vorliegen.

Lesen Sie hier: Das Umpacken von Arzneimitteln und Medizinprodukten - Wann ist es markenrechtlich zulässig?

Konsequenzen der "Erschöpfung": Markenwerbung auch für noch nicht vorrätige Ware erlaubt

Auch Nutzung der Bildmarke erlaubt

Wurde die Ware mit Zustimmung des Markeninhabers erstmals verkauft, ist also ein Weiterverkauf der mit der Marke versehenen Ware erlaubt. Der Erschöpfungsgrundsatz erlaubt auch eine Werbung für die von der Erschöpfung umfassten Waren. Die Marke darf für diese Waren also auch in der Werbung benutzt werden und zwar auch mit einer Bild-Marke (BGH, Urteil vom 7. November 2002 – I ZR 202/00 – Mitsubishi). Das gilt selbst dann, wenn der Händler die Ware selbst noch gar nicht vorrätig hat, sie aber jedenfalls im Zeitpunkt der Werbung verkaufen und über sie verfügen kann (BGH Urteil v. 17.7.2003 - I ZR 256/00 - Vier Ringe über Audi).

Keine Erschöpfung für Dienstleistungen

Eine Erschöpfung kann aber nur für Waren eintreten. Sie gilt daher für Software, die auf körperlichen Datenträgern vertrieben wird (BGH, Urteil v. 6.7.2000 – I ZR 244/97 – OEM-Version) ebenso wie für unkörperliche Softwareschlüssel für den Download eines Programmes (EuGH, Urteil v. 3.7.2012 − C-128/11 - UsedSoft GmbH/Oracle International Corp.). Bei Dienstleistungen gibt es aber keine Erschöpfung.

Erschöpfungsgrundsatz gilt im gesamten Immaterialgüterrecht

Der Erschöpfungsgrundsatz gilt nicht nur im Markenrecht (§ 24 MarkenG, Art. 13 UMV), sondern im gesamten Immaterialgüterrecht.

Beispiel: Der Erschöpfungsgrundsatz bei Gemeinschaftsgeschmacksmustern: Art. 21 GGV

Vertragliche Weiterverkausfbeschränkungen sind für Erschöpfungswirkung irrelevant

Die Erschöpfung durch einen erstmaligen Verkauf in der EU oder im EWR tritt unabhängig davon ein, ob der Käufer vertraglich in seinem Weiterverkauf beschränkt ist, oder nicht. Sie tritt auch unabhängig davon ein, ob der Markeninhaber einem Weiterverkauf des in der EU sitzenden Aufkäufers in der EU oder im EWR zustimmt oder nicht. Wenn also im oben beschriebenen Fall die Überschussware statt in das EU- oder EWR-Ausland beispielsweise an einen französischen Postenhändler verkauft wird und diesem im Kaufvertrag ein Wiederverkauf in EU-Staaten verboten wurde, ist das für den Eintritt der Erschöpfungswirkung irrelevant (vgl. EuGH v. 30.11.2004 – C-16/03 – Peak Holding AB/Axolin-Elinor AB Handelskompaniet Factory Outlet). Entscheidend ist, dass an einen Händler in Frankreich (EU) verkauft wurde. Einen Weiterverkauf der an den französischen Aufkäufer verkauften Ware in der EU kann der Markeninhaber dann nicht mehr verbieten.

Der Erschöpfungsgrundsatz im Designrecht und Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht

Im Designrecht und Geschmacksmusterrecht ist der Erschöpfungsgrundsatz in § 48 DesignG geregelt. Der Erschöpfungsgrundsatz im Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht: Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung - GGV)

Der Erschöpfungsgrundsatz im Patentrecht

Im Patentrecht ist der Erschöpfungsgrundsatz gewohnheitsrechtlich anerkannt.

Den Erschöpfungsgrundsatz im Urheberrecht

Im Urheberrecht ist der Erschöpfungsgrundsatz in § 17 Abs. 2 UrhG geregelt.

 

Bewertungen

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Basierend auf 7 Bewertungen

Niklas Horstmann
Niklas Horstmann
15.09.2023

Dankeschön

Jan Ruthard
Jan Ruthard
09.02.2023

Schnelle & professionelle Erstinformation. Sehr empfehlenswert.

Tobias
Tobias
24.09.2021

Besten Dank für die telefonische Beratung zu meiner Markenanmeldung. Sie haben sofort für Klarheit gesorgt und waren sehr hilfsbereit. Schön, so etwas in der heutigen Zeit zu erleben.