Am 23.03.2016 wurde die „Gemeinschaftsmarke“ zur „Unionsmarke“. Das „Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt – HABM“ heißt seitdem „Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum/European Union Intellectual Property Office – EUIPO“. Die Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Gemeinschaftsmarke waren aber nicht nur kosmetischer Natur. Die wichtigsten Änderungen mit Beispielen:
Unionsmarke erlaubt weitere Markenformen, Art. 4 a) Unionsmarkenverordnung (UMV)
Art. 4 der Unionsmarkenverordnung (UMV) nennt explizit Farben und Klänge als weitere Markenformen. Farbmarken und Klangmarken waren in der Praxis freilich längst etabliert. Die Verordnung passte sich hier also lediglich der Rechtspraxis an.
Grafische Darstellbarkeit wird durch Darstellbarkeit ersetzt, Art. 4 b) Unionsmarkenverordnung
Aufgegeben wurde das Erfordernis der „grafischen Darstellbarkeit“ im Register. Bei Anmeldungen von Klang- oder Hörmarken hatte man in der Praxis bisher zumeist Sonogramme oder ein Notenblatt (vgl. hierzu BPatG v. 11.12.2000 – 30 W (pat) 43/00 – Anmeldung einer Hörmarke) eingereicht. Die Unionsmarkenverordnung spricht nur noch davon, dass das als Unionsmarke anzumeldende Zeichen so dargestellt werden muss, dass der Schutzgegenstand im Register eindeutig bestimmt werden kann (Art. 4 b) Unionsmarkenverordnung). Da das Register auf grafische Darstellungen angewiesen ist, hat sich am Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit nichts geändert. Geruchsmarken werden daher auch künftig nicht eintragungsfähig werden (hierzu EuGH v. 12.12.2002 – C-273/00 – Sieckmann).
Kein Markenschutz für charakteristische Warenmerkmale (Art. 7 Abs. 1 e Unionsmarkenverordnung)
Nach der alten Gemeinschaftsmarkenverordnung konnten solche Zeichen nicht als Marke angemeldet werden, die im Wesentlichen die beanspruchte Ware selbst, ihre technische Wirkung oder ihren Wert darstellt. So hatte der EuGH in dem Urteil v. 20.9.2007 – C-371/06 – Bennetton/G-Star - entschieden, dass das populäre Hosenmodell „Elwood“ von G-Star als Beneluxmarke nicht eintragungsfähig war. Denn die Form der Hose würde ihr einen wesentlichen Wert verleihen. In der Unionsmarkenverordnung werden ausdrücklich auch „charakteristische Merkmale“ der Ware genannt, die die Ware aufweist, für ihre technische Funktion erforderlich sind oder ihr Wert verleiht. Nicht mehr das Aussehen der ganzen Ware ist für eine Eintragungsfähigkeit entscheidend, sondern einzelne Merkmale können einer Eintragung entgegenstehen, wenn diese charakteristisch sind. Das HABM hatte allerdings in der Vergangenheit schon auf einzelne charakteristische Merkmale abgestellt (Bsp.: Jeans-Hosentasche mit Ziernaht („Pocket Stitch“): HABM, Urteil vom 20.12.2006 – R 833/05: Das HABM sah in dieser Markenanmeldung „keine charakteristischen Merkmale, die es von anderen, auf Bekleidungsstücken angebrachten Taschen, welche zur Zierde mit Steppnähten versehen sind, unterscheidbar macht“.
Unionsmarke schützt auch gegen reine unternehmenskennzeichenmäßige Benutzung
Die künftige Unionsmarke schützt auch gegen eine Benutzung als reines Unternehmenskennzeichen. Bis 2016 schied nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesgerichtshofs eine Markenrechtsverletzung aus, wenn das angegriffene Zeichen ausschließlich als Unternehmensbezeichnung - also firmenmäßig zur Kennzeichnung des Unternehmens und nicht nur eines Produktes - verwendet wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 21. November 2002 -C-23/01, Slg. 2002, I - Robeco/Robelco; BGH, Urteil vom 13. September 2007 - I ZR 33/05 - THE HOME STORE). Diese Entscheidungen sind durch die Einführung der Unionsmarke überholt. Ausdrücklich heißt es in Artikel 9 Abs. 2 UMV:
„Der Inhaber dieser Unionsmarke hat […] das Recht, Dritten zu verbieten […]
d) das Zeichen als Handelsnamen oder Unternehmensbezeichnung oder als Teil eines Handelsnamens oder einer Unternehmensbezeichnung zu benutzen.
Der Inhaber einer Unionsmarke kann daher auch die Benutzung dieses oder eines ähnlichen Zeichens als reine Unternehmenskennzeichnung gerichtlich verbieten lassen. Ebenso wie der Inhaber eines Unternehmenskennzeichens die Benutzung als Marke ("markenmäßige Benutzung") verbieten lassen kann, kann auch der Inhaber einer Unionsmarke umgekehrt die Benutzung auch als reines Unternehmenskennzeichen verbieten lassen.
Markenbenutzung in der vergleichenden Werbung
In Artikel 9 Abs. 2 f) UMV ist klargestellt, dass die Benutzung einer Marke in der zulässigen vergleichenden Werbung erlaubt ist. Das hatte der EuGH bereits in dem Urteil v. 12.6.2008, C-533/06 – O2, festgestellt. Zulässig ist eine Markenbenutzung in der vergleichenden Werbung, wenn sie nach Art. 4 der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung (in das deutsche Recht umgesetzt durch § 6 UWG) erlaubt ist.
Auch bloße Durchfuhr rechtsverletzender Ware verbietbar
Der Inhaber einer Unionsmarke kann auch eine Durchfuhr markenrechtsverletzender Ware durch die Europäische Gemeinschaft („Union“) verbieten, auch wenn die Waren nicht in der Union verkauft werden sollen. Auch die Durchfuhr ist also eine Markenrechtsverletzung.
Vorbereitungshandlungen vom Schutz der Unionsmarke umfasst - Etikette, Verpackungen und andere Kennzeichnungsmittel
Wenn in der Vergangenheit Etiketten und die Ware, die mit den Etiketten gekennzeichnet werden sollten, getrennt importiert wurden, war das oft keine Markenverletzung. Denn die Ware war noch nicht gekennzeichnet und konnte mangels Markenverletzung auch nicht vernichtet werden. Ein Import der reinen Etiketten wiederum war oft selbst keine Markenverletzung, weil diese nicht „markenmäßig benutzt“ wurden (vgl. BGH v. 12.03.2015 - I ZR 153/14, Rz. 28 - BMW-Emblem). Das wurde mit Art. 9a UMV anders. Danach kann ein Markeninhaber auch explizit sowohl das Anbringen von Etiketten, als auch das Anbieten oder den Besitz von Etiketten verbieten lassen, die eine Markenverletzung vorbereiten sollen.
Klarstellung der territorialen „Erschöpfung“
Die Rechte eines Gemeinschaftsmarkeninhabers endeten zuvor nach dem Wortlaut der Gemeinschaftsmarkenverordnung, wenn er oder ein Dritter mit seiner Zustimmung die Ware erstmals in "der Gemeinschaft" verkauft (EuGH v. 30.11.2004 – C-16/03, Rz. 44 – Peak Holding AB / Axolin-Elinor AB) hatte, Art 13 GMV, sog. "Erschöpfungsgrundsatz". Markenwaren, die erstmals mit Zustimmung des Markeninhabers in der Gemeinschaft verkauft worden waren, durfte jeder weiterverkaufen. Mit „Gemeinschaft“ waren aber nach allgemeiner Meinung tatsächlich nicht nur die Staaten der Europäischen Union, sondern auch die übrigen EWR-Mitgliedsstaaten (Island, Liechtenstein und Norwegen) gemeint. Das wurde in Artikel 13 Abs. 1 UMV klargestellt.
Zwischenrecht des Inhabers einer jüngeren Marke im Verletzungsverfahren nach Art. 13a UMV
In manchen Fällen ist auch der angegriffene Markenverletzer selbst Inhaber einer Marke. Wer wegen der Verletzung einer Unionsmarke angegriffen wird und selbst Inhaber einer entsprechenden (möglicherweise rechtsverletzenden) jüngeren Marke (Unionsmarke oder nationale Marke) ist, soll sich gegen eine Markenverletzung wehren können. Dies betrifft Fälle, in denen die klagende Unionsmarke selbst mit einem Makel (fehlende Unterscheidungskraft, Nichtbenutzung) behaftet ist. Der Art 13a UMV ist kompliziert und betrifft verschiedene Fallkonstellationen. Eine vergleichbare Regelung gibt es für die deutschen Marken in § 22 MarkenG. Wer seine eigene jüngere Marke benutzt hat und deswegen von dem Inhaber einer identischen oder ähnlichen älteren Unionsmarke in Anspruch genommen wird, verletzt die ältere Unionsmarke nicht, wenn die jüngere Marke nicht für nichtig erklärt werden könnte. Bei Art. 13a UMV handelt es sich um Einreden im Verletzungsverfahren. Diese Einreden betreffen im Wesentlichen die Fälle, in denen der Inhaber seine ältere Unionsmarke dewegen nicht durchsetzen kann, weil
- die ältere Unionsmarke ihre Unterscheidungskraft eingebüßt hat und dewegen nicht mit der jüngeren Marke kollidiert;
- der Inhaber der älteren Unionsmarke die Benutzung der jüngeren Marke (Unionsmarke oder nationalen Marke) fünf Jahr lang geduldet hat, oder
- der Inhaber die Benutzung seiner eigenen älteren Unionsmarke nach Ablauf der fünfjährigen Benutzungsschonfrist nicht nachweisen kann;
- die ältere Unionsmarke im Anmelde- oder Prioritätszeitpunkt tatsächlich noch gar nicht schutzfähig war (weil ein absolutes Schutzhindernis vorlag, z.B.fehlende Unterscheidungskraft oder eine beschreibende Angabe) und erst nach der Anmeldung der jüngeren nationalen Marke infolge Verkehrsdurchsetzung überhaupt schutzfähig geworden ist.
Nach Absatz 3 des Art. 13a UMV kann sich im Verletzungsverfahren auch der Inhaber der jüngeren Marke nicht der Benutzung der älteren Marke widersetzen.
Rechtserhaltende Benutzung der Unionsmarke auch in abgewandelter Form möglich, Art. 15 UMV
Der Schutzumfang einer Marke folgt im Wesentlichen dem Registereintrag. Marken werden aber oft weiterentwickelt und verändern sich. Sie werden dann anders benutzt, als sie eingetragen wurden. Das kann im Verletzungsverfahren Probleme bereiten, wenn der Kläger nach Ablauf der Benutzungsschonfrist auf die Nichtbenutzungseinrede des Beklagten die rechtserhaltende Benutzung seiner Marke nachweisen muss. So geschah es im „Specsavers“-Fall (EuGH v. 18. 7. 2013 – C-252/12 - Specsavers International Healthcare Ltd u. a./Asda Stores Ltd). Die Konsequenz der Specsavers-Entscheidung findet sich in Art. 15 Abs. 1 Unterabsatz 1 UMV wieder: Danach kann eine Marke auch dann rechtserhaltend benutzt werden, wenn sie nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird.