Der neue § 8 III Nr. 1 UWG schränkt die Aktivlegitimation, d.h. die Anspruchsberechtigung ein: Nicht mehr jeder Mitbewerber darf abmahnen, sondern nur noch solche, die
- Produkte in nicht unerheblichen Maße und
- nicht nur gelegentlich vertreiben oder nachfragen
Diese Regelung zielt auf den typischen rechtsmissbräuchlich Abmahnenden, der nur zum Schein "Waren aller Art" anbietet, um möglichst umfangreich abmahnen zu können. Ein bloßes "anbieten" reicht künftig nicht mehr aus. Der Mitbewerber muss tatsächlich verkaufen oder kaufen. Die Neuregelung zielt auch auf solche Abmahnende, die gerade erst ein Gewerbe aufgenommen haben, um Abmahnungen aussprechen zu können. Für die Frage, ob "in nicht unerheblichem Maße" gekauft oder verkauft wird, kommt es auf die Zahl der tatsächlichen Verkäufe oder ähnlichem an (Begründung des Regierungsentwurfs vom 31.07.2019, BT-Drucksache 19/12084, Seite 26).
Die Einführung eines neuen § 8a UWG (Anspruchsberechtigte bei einem Verstoß gegen die Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten - (EU) 2019/1150) wurde bereits durch Artikel 2 des am 1.7.2020 verabschiedeten Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes beschlossen.
Die weiteren Änderungen des UWG 2020 wurden daher gegenüber dem Regierungsentwurfs vom 31.07.2019 umnummeriert und beginnen mit § 8b UWG.
Einschränkung der Aktivlegitimation für Wirtschafts- und Wettbewerbsverbände
§ 8 III Nr. 2 und § 8b UWG neuer Fassung
Wirtschafts- und Wettbewerbsverbände sind künftig nur noch anspruchsberechtigt und klagebefugt, wenn sie entweder in die beim Bundesamt der Justiz geführten Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen sind (§ 8 III Nr. 3 UWG) oder wenn sie in die neue vom Bundesamt für Justiz zu führende Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände (§ 8 III Nr. 2 UWG i.V.m § 8b UWG n.F.) eingetragen sind. Außerdem wird vorausgesetzt, dass dem Verband wie schon nach bisherigem Recht „eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben". Außerdem ist Voraussetzung, dass dem Verband nach § 8 III Nr. 2 UWG "eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben". Weitere Voraussetzung: Die Zuwiderhandlung muss wie schon nach bisherigem Recht die Interessen der Mitglieder berühren.
Die Verbände mussten schon nach bisherigem Recht (§ 8 III Nr. 2 UWG) "nach ihrer personellen, sachlichen oder finanziellen Ausstattung" ihre satzungsgemäßen Aufgaben wahrnehmen können. Besonders die letztgenannte Voraussetzung ist praktisch von einem Gericht, das ja die Klagebefugnis "von Amts wegen" prüft, kaum nachzuweisen. Deshalb wird nun durch das geänderte UWG 2020 die Klärung der Frage, ob eine Verband aufgrund seiner personellen, sachlichen oder finanziellen Ausstattung seine satzungsgemäßen Aufgaben dauerhaft wirksam ausüben kann, von den Gerichten auf das Bundesamt für Justiz verlagert. Dieses führt künftig nicht nur für die nach dem UKlaG berechtigten Verbände, sondern auch für Wirtschafts- und Wettbewerbsverbände eine "Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände" und soll die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung schon bei der Eintragung in diese Liste prüfen (vgl. § 8b UWG n.F.). Eintragungsvoraussetzung ist nach § 8b UWG, dass der Verband
- mindestens 75 Unternehmer als Mitglieder hat,
- zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens einem Jahr seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrgenommen hat,
- auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit sowie seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheint, dass er
a) seine satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen wird und
b)seine Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen wird, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen, - seinen Mitgliedern keine Zuwendungen aus dem Verbandsvermögen gewährt werden und Personen, die für den Verband tätig sind, nicht durch unangemessen hohe Vergütungen oder andere Zuwendungen begünstigt werden.
Die Voraussetzungen sollen verhindern, dass ein Verband nur als "Abmahnverein" gegründet wird. Bei der Ermittlung der Mitgliederzahl können auch mittelbare Mitgliedschaften über einen Verband berücksichtigt werden, der seinerseits Mitglied des Wirtschaftsverbands ist. Die personelle Ausstattung setzt voraus, dass der Verband Mitarbeiter beschäftigt, die für eine Beratung im Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) qualifiziert sind und Verstöße rügen können. Die finanzielle Ausstattung muss gesichert sein. Abmahnungen und das Geltendmachen von Vertragsstrafen dürfen nicht vorwiegend der Erzielung von Einnahmen dienen. Der Mitgliedsbeitrag muss daher so hoch sein, dass der Verband satzungsgemäß tätig sein kann und wettbewerbsrechtliche Fragen auch über mehrere gerichtliche Instanzen klären kann. Wenn ein Verein nach einem Verstoß gegen einen Unterlassungstitel (z.B. einer einstweiligen Verfügung) nie einen Ordnungsgeldantrag zu Gunsten der Staatskasse stellt, kann das ein Indiz für einen Missbrauch sein (Begründung des Regierungsentwurfs vom 31.07.2019, BT-Drucksache 19/12084, Seite 28).
Verbot missbräuchlicher Abmahnungen und überhöhter Vertragsstrafeforderungen
§ 8c UWG neuer Fassung
Hauptziel der UWG Reform 2020 ist die Eindämmung rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen. Die Folgen missbräuchlicher Abmahnungen waren schon bisher in § 8 IV UWG geregelt. Der neue § 8c UWG erweitert die Regelung und nennt in Regelbeispielen auch konkrete Voraussetzungen, unter denen ein missbräuchliches Geltendmachen von Unterlassungsansprüchen vermutet wird. Der Abmahnenden kann diese Vermutungen entkräften. Der Gesetzeswortlaut nimmt hier Umstände auf, die die Rechtsprechung in der Vergangenheit als Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung angesehen hatte. Ein rechtsmissbräuchliches Geltendmachen wird demnach vermutet, wenn
- die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen,
- ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht, wenn die Anzahl der geltend gemachten Verstöße außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder wenn anzunehmen ist, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko seines außergerichtlichen oder gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt,
- ein Mitbewerber den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch ansetzt,
- offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert werden,
- eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht,
- mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, einzeln abgemahnt werden oder
- wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht werden.
Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut des neuen § 8c UWG wird auch dann ein Rechtmissbrauch vermutet, wenn eine "überhöhte" Vertragsstrafe gefordert wird. Nach der Gesetzesbegründung betrifft dies nicht nur die Fälle, in denen bereits in der Abmahnung eine deutlich überhöhte Vertragsstrafe für künftige Verstöße gefordert wird. Ein Rechtsmissbrauch wird auch vermutet, wenn nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nach neuem Hamburger Brauch eine deutlich überhöhte Vertragsstrafe gefordert wird.
Missbrauch wird auch vermutet, wenn eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht. Eine vergleichbare Regelung ist bereits aus dem Urheberrechtsgesetz bekannt (§ 97a II Nr. 4 UrhG). Künftig werden sich daher die Anforderungen an den Abmahnenden erhöhen: Er muss eine klare Sachverhaltsdarstellung ("abgemahnte Rechtsverletzung") und eine diesbezügliche päzise formulierte, möglichst auf die konkrete Verletzungsform begrenzte, strafbewehrte Unterlassungserklärung formulieren. Wenn eine vorgeschlagene Unterlassungserklärung über den tatsächlichen rechtlichen Anspruch nicht hinausgeht, ist aber kein Hinweis erforderlich (vgl. zu § 97a IV UrhG: OLG Frankfurt a. M. v. 2.12.2014 – 11 U 73/14).
Konsequenzen eines Verstoßes gegen § 8c UWG n.F.: Ein nach § 8c UWG rechtmissbräuchliches Geltendmachen von Ansprüchen führt nicht nur dazu, dass keine Abmahnkosten zu erstatten sind, sondern auch, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch selbst nicht besteht (BGH GRUR 2002, 357 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Außerdem kann der Abgemahnte die Kosten seiner eigenen Rechtsverteidigung geltend machen.
Beispiel aus der Rechtsprechung zu § 8c UWG n.F.: Landgericht Dortmund, Beschluss v. 16.2.2021, 10 O 10/21
Der Antragsteller nimmt mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung den Antragsgegner wegen fehlender Pflichtangaben gemäß § 5 TMG, fehlender Widerrufsbelehrung und fehlender Information/Verlinkung zur OS-Plattform auf Unterlassung in Anspruch. Der Vorwurf: Er haber als Privatperson auf einer Internetplattform neue Haushaltsartikel angeboten und Pflichtangaben gemäß § 5 TMG, Widerrufsbelehrung und fehlender Information/Verlinkung zur OS-Plattform nicht aufgeführt. Mit Anwaltsschreiben mahnte der Kläger den Beklagten ab. Die Abmahnkosten wurden in diesem Schreiben unter Zugrundelegung eines Streitwertes von 30.000,00 € mit 1.501,19 € beziffert. Zugleich wurde der Antragsgegner zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde zurückzuweisen, da der Geltendmachung des Unterlassungsanspruches § 8c UWG n.F. entgegenstand.
Erhöhte Anforderungen an die Abmahnung und Erweiterung der Gegenanspruchsberechtigten
§ 13 II UWG neuer Fassung
Mit dem neuen § 13 II UWG erhöhen sich die Anforderungen an die Form einer Abmahnung. In der Abmahnung muss nun ausdrücklich klar und verständlich angegeben werden:
- Name oder Firma des Abmahnenden sowie im Fall einer Vertretung zusätzlich Name oder Firma des Vertreters,
- die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Absatz 3, nämlich inwieweit der Abmahnende Produkte in nicht unerheblichen Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt (siehe oben)
- die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände,
- ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet, bzw.
- dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist, wenn die Abmahnung Verstöße betrifft, die im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien ("Internet") begangen wurden und gesetzliche Informations-
und Kennzeichnungspflichten betreffen oder Datenschutzverstöße von kleinen Unternehmen oder Kleinstunternehmen oder vergleichbare gewerblich tätige Vereine.
Konsequenzen eines Verstoßes gegen § 13 II UWG: Wer eine Abmahnung ausspricht, die nicht den Anforderungen des § 13 II UWG entspricht, hat keinen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten. Er muss außerdem damit rechnen, dass der Abgemahnte seinerseits ihm gegenüber die Kosten seiner Rechtsverteidigung geltend macht (vgl. § 13 V UWG). Dieser Gegenanspruch des Abgemahnten wird in einem neuen Satz 2 zum Schutz der qualifizierten Wirtschaftsverbände und qualifizierten Einrichtungen, die lediglich einen vergleichsweise geringen Anspruch auf eine Aufwendungspauschale besitzen, auf den Betrag dieser Aufwengungspauschale gedeckelt. Anders als in § 8b III UWG n.F. und anders als die bisherige Regelung des § 8 IV UWG hat also der Empfänger einer Abmahnung nicht nur einen Gegenanspruch auf Erstattung der eigenen Rechtsvereidigungskosten bei einer missbräuchlichen Abmahnung. Er hat diesen Gegenanspruch vielmehr schon dann, wenn die Abmahnung unberechtigt ist oder nicht den Anforderungen des § 13 II UWG entspricht.