Irreführende geschäftliche Handlung

Früher: "Irreführende Werbung"

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"Rechtssicher werben - Abmahnungen vermeiden in Werbung und Akquise" in 2. Auflage erschienen

Jetzt bestellen und Abmahnungen vermeiden

Der Pratikerratgeber „Rechtssicher werben – Abmahnungen vermeiden in Werbung und Akquise“ ist in 2. neubearbeiteter Auflage erschienen. Dieser Ratgeber soll helfen, Abmahnungen wegen Rechtverletzungen zu vermeiden. Häufige rechtliche Risiken bei der Kreation und Durchführung von Werbekampagnen werden verständlich mit mehreren hundert Beispielen aus der Rechtsprechung erläutert.

Aus dem Inhalt:
•    Leads generieren mit Gewinnspielen
•    Auswahl von Begriffen, Texten, Medien und Designs
•    Werbung mit fremden Marken
•    Marken- und Designrecherchen durchführen
•    Irreführende und vergleichende Werbung
•    Werbung mit Umwelt- und Klimaschutzbegriffen
•    Preis- und Rabattwerbung nach neuer Preisangabenverordnung
•    E-Mail-Werbung und Telefonakquise
•    Suchmaschinenoptimierung (SEO) und Suchmaschinenwerbung (SEA)
•    Social Media und Influencer-Marketing
•    Affiliate Marketing
•    Datenschutzrecht

Zahlreiche Praxistipps machen das Buch zum unverzichtbaren Begleiter für jeden, der wirbt. Die Rechtsprechnung ist berücksichtigt bis Anfang 2023.

Rechtssicher werben – Abmahnungen vermeiden in Werbung und Akquise“, 2. neubearbeitete Auflage 2023, ISBN 978-3-00-074992-6, 232 Seiten, XchangeIP Verlag

Erhältlich im Buchhandel oder bei Amazon.

Inhaltsverzeichnis

Rechtsanwalt Thomas Seifried

Praktikerhandbuch zum Werberecht von Thomas Seifried

„Rechtssicher werben", 2. neubearbeite Auflage 2023, 232 Seiten, XchangeIP Verlag, im Buchhandel oder bei Amazon

Kostenloser Download "Abgemahnt - Die Taschenfibel 2021"

Alles über Abmahnungen und strafbewehrte Unterlassungserklärungen, mit Musterformularen

Praktikerhandbuch Seifried/Borbach

„Schutzrechte und Rechtsschutz in der Mode- und Textilindustrie", 368 Seiten, erschienen 2014 in der dfv-Mediengruppe

"Irreführende Werbung“ wurde zur „irreführenden geschäftlichen Handlung“

„Irreführende geschäftliche Handlungen“ sind unlauter nach § 5 UWG. Die "irreführende geschäftliche Handlung" ersetzt seit dem 30.12.2008 den damaligen engeren Begriff der „irreführenden Werbung“. § 5 UWG ist eine Zentralvorschrift des Werberechts. Es gilt ein Täuschungsverbot: Angaben über Produkte und Unternehmen müssen wahr, richtig und vollständig sein.

Irreführende geschäftliche Handlung hat eigene Bagatellschwelle

„Irreführend“ ist eine Werbung, wenn sie bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorrufen und die zu treffende Marktentschließung in „wettbewerblich relevanter“ Weise beeinflussen kann. Diese „wettbewerbliche Relevanz“ ist eine eigenen Bagatellschwelle, die die Prüfung der Bagatelleschwelle des § 3 Abs. 2 UWG überflüssig macht (vgl. BGH v. 18.1.2012, I ZR 104/10 – Neurologisch/Vaskuläres Zentrum).

Tatsache oder Werturteil?

Angaben können Tatsachenbehauptungen (beweisbar) oder Werturteile sein. Reine Werturteile ohne Tatsachenkern sind wegen der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit keine „Werbung“ im Sinn des UWG. Solche Angaben kommen in der Werbung aber nur selten vor (vgl. BVerfG v. 12.7.2007, 1 BvR 2041/02 Pharmakartell). Als reine Werturteile gelten allgemeine Redewendungen ohne informativen Gehalt, nichtssagende Anpreisungen, bloße Kaufappelle, „reklamehafte“ Übertreibungen und subjektive Meinungen.

Beispiel (BGH v. 7.11.1996, I ZR 183/94 – Aussehen mit Brille)
Als nichtssagende Anpreisung gilt beispielsweise

„Lieber besser aussehen, als viel bezahlen“

Eine Tatsachenbehauptung ist eine Angabe dann, wenn in ihr konkrete, nachprüfbare Eigenschaften über das Produkt oder die Dienstleistung enthalten sind. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil ist, wie es das Publikum versteht (vgl. BGH v. 17.11.1992, VI ZR 344/91). Das Publikum wiederum sind die „angesprochenen Verkehrskreisen“.

IRREFÜHRENDE ANGABEN ÜBER DAS PRODUKT

Über wesentliche Merkmale von Produkten (Waren oder Dienstleistungen) darf man nicht täuschen. Hierzu gehören deren Verfügbarkeit, Art, Zweck, Ausführung, Ver-wendung, Menge, Ergebnisse, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Herkunft, Herstellverfahren oder Herstellzeitpunkt, Lieferung, Kundenservice und Testergebnisse (§ 5 I Nr. 1 UWG).

Beispiel (LG Hamburg v. 10.2.2011, 315 O 356/10):
Irreführend ist es, mit der Angabe

„ÖKO-Tex Standard 100“

zu werben, wenn für das beworbenen Produkt ein solches Zertifikat tatsächlich nicht ausgestellt wurde.

Zu den Angaben, über die nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG nicht getäuscht werden darf, gehören ausdrücklich auch die Art und die Zusammensetzung der Ware. So darf beispielsweise Kunstseide nicht als Seide bezeichnet werden (BGH v. 11.5.1954, I ZR 178/52 – Cupresa-Seide). Spezielle Regelungen zu den Pflichtangaben bei Textilprodukten enthält die Textilkennzeichnungsverordnung. Angaben, die der Kunde wissen müsste, dürfen nicht verschwiegen werden und sind wesentliche Informationen nach § 5 a UWG.

Werbung mit Umweltschutz und Klimaschutz

Begriffe wie „CO2 reduziert", „umweltfreundlich", "grün", „nachhaltig" müssen erläutert werden

Werbung mit unscharfen Umweltschutzbegriffen wie „CO2 reduziert“, „umweltfreundlich", „umweltverträglich", „umweltschonend" oder „nachhaltig" muss erläutert werden. Denn es ist oft unklar, auf welchen Teil des Produkts oder auf welchen Aspekt der Produktion, der Verpackung oder des Vertriebs sich die Aussage bezieht. Den angesprochenen Verkehrskreisen muss man dies erläutern. Pauschale Werbungen mit solchen Begriffen sind ohne solche Erläuterungen irreführend und unzulässig (OLG Hamm v. 19.08.2021 - 4 U 57/21 - CO2-reduziert). Auch wer mit einer absoluten CO2-Reduktion von 3,5 t bzw. eines CO2-Ausgleiches von -3,5 t für ein Finanzprodukt wirbt, obwohl es sich hierbei tatsächlich um Zielwerte handelt, die auch erheblich unterschritten werden können, handelt irreführend (LG Stuttgart, Urt. v. 10.1.2022 – 36 O 92/21 KfH - Irreführende Werbung bei nachhaltigem Investmentprodukt).

Ausnahme: "klimaneutral" muss nicht erläutert werden

Anders ist das bei Begriffen wie „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“. Denn die Bedeutung dieser Begriffe ist klar. Hier ist sich die Rechtsprechung nur uneins, ob man darüber aufklären muss, wenn die CO2-Neutralität nur über Kauf von Zertifikaten erreicht wird (hierzu unten).

Umweltschutzbegriffe „umweltfreundlich“, „nachhaltig“, „grün“

Begriffe wie „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“ „umweltschonend“ oder „nachhaltig“ sind nicht definiert. Es ist daher unklar, wann ein Produkt als umweltfreundlich oder nachhaltig gilt, das mit solchen Begriffen beworben wird. Erst recht gilt dies für den Begriff „grün“ als Hinweis auf ein umweltfreundliches Produkt (vgl. OLG Schleswig v. 3.9.2020 – 6 U 16/19 - Grüner Regionalstrom). Oft bezieht sich eine Umweltfreundlichkeit auch nur auf einen Teilaspekt des Produkts. Das kann beispielsweise eine im Vergleich zu einem gleichartigen Produkt reduzierte Schadstoffemission bei der Herstellung sein.

Beispiel:
Eine Zeitungsrolle (Briefkasten) wird beworben mit den Worten

„Ferro Star - die Zeitungsrolle im Edelstahl-Look Spezialverzinkt und im Edestahl-Look beschichtet Umweltfreundlich produziert“.

Das ist ohne weitere Erläuterungen irreführend. Denn die Werbung lässt offen, in welcher Hinsicht der Produktionsprozess umweltfreundlich sein soll (OLG Stuttgart v. 14.09.2017 - 2 U 2/17).

Auch die Werbung für ein Produkt, das „nachhaltig“ sein soll, ist irreführend, wenn nicht erläutert wird, in welcher Hinsicht Nachhaltigkeit vorliegen soll.

Beispiel:
Eine Leuchte wird beworben mit den Worten

„[...] nachhaltige Verpackungen. Unser Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit“.

Auch diese Werbung ist ohne weitere Erläuterungen irreführend. Denn die Werbung lässt in dieser Allgemeinheit offen, in welcher Hinsicht eine Nachhaltigkeit vorliegen soll (OLG Hamm v. 19.08.2021 - 4 U 57/21 - CO2-reduziert).

Aufklärungspflicht bei Umweltschutzbegriffen

Wenn diese aufklärenden Hinweise in der Werbung fehlen oder nicht deutlich sichtbar sind, ist die Werbung irreführend und unzulässig. Nach der Rechtsprechung muss der Verbraucher darüber aufgeklärt werden, warum und in welcher Hinsicht ein Produkt beispielsweise „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“ ist. Wer mit Umweltschutzbegriffen wirbt, muss daher darauf hinweisen, warum das Produkt umweltfreundlich ist (OLG Hamm v. 19.08.2021 – 4 U 57/21 - CO2-reduziert; OLG Düsseldorf v. 17.05.2016 - 20 U 150/15, BGH v. 20.10.1988 - I ZR 238/87 - Aus Altpapier).

Umfang der Aufklärungspflicht bei Umweltschutzbegriffen

Der Umfang der Aufklärung hängt ab von dem beworbenen Produkt und dem Umfang der Umweltfreundlichkeit ab. Wenn „blickfangmäßig“ mit einer Umweltfreundlichkeit (oder einem anderen unscharfen Umweltbegriff) geworben wird, gelten die Grundsätze der „Blickfangwerbung“: Man muss dann bereits an dieser Stelle aufklären, was damit gemeint ist (OLG Stuttgart v. 14.09.2017 - 2 U 2/17 - Umweltfreundlich produziert). Eine Aufklärung durch einen Sternchenhinweis reicht in diesem Fall nicht (vgl. BGH v. 21.09.2017 - Festzins Plus).

Werbung mit „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“

Weniger streng ist die Rechtsprechung bei Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ oder „CO2-neutral. Dieser enthält - anders als etwa der unscharfe Begriff „CO2 reduziert“ (vgl. OLG Hamm a.a.O. - CO2-reduziert) - die eindeutige Aussage, dass das beworbene Produkt eine ausgeglichene CO2-Bilanz aufweist (OLG Schleswig v. 30.06.2022 - 6 U 46/21 - Klimaneutraler Müllbeutel II, ebenso OLG Frankfurt v. 10.11.2022 - 6 U 104/22). Allerdings muss der Werbende auch sagen, auf was sich die „Klimaneutralität“ beziehen soll - auf die Herstellung oder auf die Nutzung des Produkts.

Beispiel:
Ein Kerzenhersteller wirbt für sein Produkt mit der Aussage

„Klimaneutrale Kerzen: Alle von [X] hergestellten Kerzen sind klimaneutral. X strebt Null-CO2 Emission an und sorgt in seinem Unternehmen konsequent für Klimaneutralität, vor allem durch Kompensation von CO2-Belastung“.

Das war irreführend, weil es Kerzen bei der Verbrennung CO2 emittieren und eine „Scherzerklärung“ nicht anzunehmen ist (LG Düsseldorf v. 19.07.2013 - 38 O 123/12 - Klimaneutrale Kerzen)

Eine zulässige Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ setzt allerdings voraus, dass die bei der Produktion entstehenden CO2-Emissionen vollständig und nicht nur teilweise kompensiert werden (OLG Koblenz v. 10.08.2011 - 9 U 163/11 - CO2-neutral).

Aufklärungspflicht über Kompensationsmaßnahmen gegenüber Verbrauchern?

Uneinigkeit besteht in der Rechtsprechung allerdings darüber, ob man Verbraucher darüber aufklären müsse, wie die „Klimaneutralität“ hergestellt wird. Denn es besteht ein Unterschied, ob ein Hersteller eigene Emissionen vermeidet oder seine Emissionen über den Kauf von Zertifikaten kompensiert. Das Oberlandesgericht Schleswig meint, die Angabe „klimaneutral“ enthalte nicht auch die weitere Erklärung, die ausgeglichene Bilanz werde durch gänzliche Emissionsvermeidung bei der Produktion erreicht. Art und Umfang der Kompensationsmaßnahmen müssten daher nicht erläutert werden (OLG Schleswig a.a.O. - Klimaneutraler Müllbeutel II). Der gleichen Ansicht ist das Landgericht Kleve, jedenfalls bei einer Werbung gegenüber einem Fachpublikum. Diesem sei bekannt, dass Klimaneutralität durch Kompensationen hergestellt werden kann (LG Kleve v. 22.06.2022 -
8 O 44/21 - Klimaneutral).

Andere Gerichte sehen das bei Werbung gegenüber Verbrauchern anders. Das Landgericht Konstanz etwa ist der Ansicht, dass die Werbung für ein „klimaneutrales Premium-Heizöl“ erläutert werden muss. Verbraucher würden über die komplexen wissenschaftlichen Zusammenhänge beim Umweltschutz wenig wissen. Wegen der „emotionalen Werbekraft von umweltbezogenen Aussagen“ müssten sie darüber aufgeklärt werden, ob Werbende durch eigene Energieeinsparungen oder durch den eigenen Einsatz regenerativer Energien zur Verringerung der CO2-Emissionen beitragen oder aber allein Zertifikate über eine finanzielle Beteiligung an den CO2-Ausstoß verringernden Projekten in Schwellen und Entwicklungsländern erworben haben (LG Konstanz v. 19.11.2021 - 7 O 6/21 - Klimaneutrales Heizöl). Ebenso sieht es das Landgericht Mönchengladbach. Die Werbung mit der Aussage „Klimaneutraler Preis-Leistungs-Klassiker“ für eine Marmelade sei ohne weitere Hinweise, dass die Klimaneutralität über eine finanzielle Unterstützung von Aufforstungsprojekten in Südamerika hergestellt würde, irreführend (LG Mönchengladbach v. 25.02.2022 - 8 O 17/21 - Klimaneutrale Marmelade). Auch das Landgericht Oldenburg hält die Werbung für Fleisch mit dem Wort „klimaneutral“ für irreführend, wenn man nicht darüber informiert, dass lediglich CO2-Zertifikate gekauft würden (LG Oldenburg v. 16.12.2021 - 15 O 1469/21 - Klimaneutrales Fleisch). Das OLG Frankfurt ist der gleichen Ansicht. Wörtlich heißt es in dem Urteil des OLG Frankfurt v. 10.11.2022 - 6 U 104/22 - Klimaneutrales Geschirrspülmittel:

Der Verkehr geht z.B. nicht davon aus, dass ein Unternehmen, das sich als „klimaneutral“ bezeichnet, allein auf Ausgleichsmaßnahmen Dritter bzw. auf den Kauf von Zertifikaten setzt. Der Zertifikatehandel und andere Kompensationsmöglichkeiten stehen - jedenfalls aus Verbrauchersicht - in dem Verdacht, das betreffende Unternehmen betreibe nur sog. „Greenwashing“, ohne dass der Klimaschutz tatsächlich maßgeblich verbessert wird.

Es ist daher keineswegs sicher, dass sich die Ansicht des Oberlandesgerichts Schleswig durchsetzt. Wer auf der sicheren Seite sein möchte, gibt daher besser in der Verbraucherwerbung an, dass sein Produkt nur über einen Zertifikate(zu-)kauf klimaneutral geworden ist.

Schließlich muss man - ebenso wie bei der Werbung mit "Made in Germany" - beachten, ob sich eine Werbung mit "klimaneutral" auf ein Produkt oder ein Unternehmen bezieht. Wenn nur das Unternehmen als "klimaneutral" zeritfiziert wurde, darf es seine Produkte nicht als "klimanautral" bewerben (OLG Frankfurt v. 10.11.2022 - 6 U 104/22 - Klimaneutrales Geschirrspülmittel).

Irreführende Werbung mit dem Bio-Siegel oder dem Begriff "Bio"

Werbung für „Bio“-Lebensmittel

Der Begriff „Bio“ hat je nach dem Produkt, für das er benutzt wird, unterschiedliche Bedeutungen. Für landwirtschaftliche Erzeugnisse (Lebensmittel, Futtermittel, Saatgut) gilt die EG-Öko-Verordnung (VO (EG) Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen. Für pflanzliche Lebensmittel (z.B. Gewürze, vgl. Art. 2 Buchst. j EG-Öko-Verordnung; BGH, Urt. v. 29.3.2018 – I ZR 243/14 – Bio-Gewürze II) weist „Bio“ darauf hin, dass das Produkt nach den Bestimmungen der EG-Öko-Verordnung gewonnen wurde. In diesen Fällen muss auch schon bei der Werbung für solche Produkte (BGH, Urteil v. 24.3.2016 – I ZR 243/14 – Bio-Gewürze) die Ökokontrollnummer angegeben werden (OLG Celle, Urteil vom 11.9.2018 – 13 W 40/18 - Verpflichtende Information über Lebensmittel). Werbung mit Begriffen wie "Bio-" oder "Ökö-" für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die die Vorschriften dieser Verordnung nicht erfüllen, ist nach Art. 23 Abs. 2 der EG-Öko-Verordnung verboten.

Für Lebensmittel außerhalb des Anwendungsbereichs der EG-Öko-Verordnung (d.h. Landwirtschaftserzeugnisse nach Art. 1 Abs. 2 EG-Öko-Verordnung) gilt dies nicht ohne weiteres. Erst recht nicht, wenn das Produkt, z.B. Mineralwasser, mit ökologischem Landbau nichts zu tun hat (BGH, Urteil v. 13. 9. 2012 – I ZR 230/11 - Biomineralwasser). Hier gilt vielmehr das allgemeine Irreführungsverbot. Mit dem Begriff „Bio“ verbindet man hier die Erwartung, dass das so bezeichnete Produkt weitestgehend frei von Rückständen und Schadstoffen ist und nur unvermeidbare Geringstmengen deutlich unterhalb der rechtlich zulässigen Grenzwerte enthält (BGH, Urteil v. 13. 9. 2012 – I ZR 230/11 - Biomineralwasser). Von einem als „Premiummineralwasser in Bio-Qualität“ (Volvic) beworbenen Mineralwasser, erwartet man dass es nicht nur deutlich reiner ist als herkömmliches Mineralwasser, sondern auch unbehandelt. Das ist es nicht, wenn das geförderte Rohwasser durch Mangansand geleitet werden muss, um den hohen Arsenanteil zu reduzieren (OLG Frankfurt a. M. v. 29.04.2021 - 6 U 200/19 - Premiummineralwasser in Bio-Qualität).

Werbung für sonstige „Bio“-Produkte (keine Lebensmittel)

Auch für sonstige Produkte gilt das allgemeine Irreführungsverbot. Die Bezeichnungen "bio" und "ökologisch" können sowohl einen Gesundheitsbezug als auch einen Umweltbezug ausdrücken. Was den Gesundheitsaspekt betrifft, muss ein Produkt, dass mit „bio“ beworben wird, mehr sein, als bloß unschädlich. Es muss vielmehr eine positive Wirkung haben. Was den Umweltbezug betrifft, verbindet der Verbraucher mit „bio/ökologisch“ eine rein natürliche, keine chemischen Substanzen enthaltende Beschaffenheit des betreffenden Produkts (LG Karlsruhe, Urteil vom 25.03.2021 – 14 O 61/20 - hautfreundlich, vgl. KG Berlin, KG Berlin v. 22.09.1992 - 5 U 3485/90 "BIO GOLD"). Der Begriff „Bio“ suggeriert auch, dass das Produkt überwiegend aus natürlichen Rohstoffen hergestellt wurde. Mit dem Begriff „Bio“ verbindet man die Erwartung, dass das so bezeichnete Produkt weitestgehend frei von Rückständen und Schadstoffen ist und nur unvermeidbare Geringstmengen deutlich unterhalb der rechtlich zulässigen Grenzwerte enthält (BGH v. 13.09.2012 – I ZR 230/11 - Biomineralwasser).

Beispiel (OLG Hamm, v. 27.3.2012 - I-4 U 193/11 – Bio-Oil):
Die Werbung für Kosmetika als „Bio-Oil“ ist irreführend, wenn darin zu mehr als 50 % chemisch-industrielle Bestandteile enthalten sind.

Aufklärungspflicht auch für "Bio-Artikel"

Auch für die Werbung für „Bio“-Artikel fordert die Rechtsprechung eine Aufklärung der Verbraucher über die Bedeutung und den Inhalt dieses Begriffes (OLG Hamm v. 19.08.2021 – 4 U 57/21 - CO2-reduziert; LG Stuttgart v. 10.01.2022 - 36 O 92/21 KfH - Irreführende Werbung mit dem Kohlendioxid-Ausgleich eines Investmentfonds).

Werbung mit "Recycling", "Recycled" oder "Pre-Consumer-Recycling"

Ressourcenschonende Herstellungsverfahren sprechen mehr und mehr Verbraucher an. Da liegt es nahe, Werbung mit Begriffen wie „recycled“ oder „recycling“ aufzupeppen. Die Rechtsprechung stellt aber strenge Anforderung an Werbung mit dem Begriff „Recycling“. Besonders der populäre Begriff „Pre-Consumer-Recycling“ ist gefährlich. Denn dem Verbraucher ist nicht klar, dass es sich bei „Pre-Consumer-Material“ um bisher unverarbeitete Reststoffe handelt, die bei der Produktion anfallen.

„Recycling“ nach dem Gesetz

„Recycling“ ist jedes Verwertungsverfahren, durch das Abfälle aufbereitet werden und zwar zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen. So sagt es § 3 Abs. 25 Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG. „Abfälle“ wiederum sind Stoffe oder Gegenstände, derer man sich entledigt, weil man will oder muss, § 3 Abs. 1 KrWG.

Recycling nach der Rechtsprechung

Wer ein Recyclingprodukt kauft, erwartet, dass es vollständig aus dem angegebenen Material wiedergewonnen wurde (vgl. BGH GRUR 1991, 546 – Aus Altpapier). Wird im Recyclingprozess beispielsweise 1/3 neues Material zugesetzt, widerspricht dies dem Begriff des „Recycling“ (OLG Celle v. 27.05.1993 – 13 U 32/93 – Recycling Reifen). Der Verbraucher kennt dabei die technischen Einzelheiten des Recyclingverfahrens nicht. Er weiß meistens nur, dass in einem Recyclingverfahren ein Ausgangsmaterial technisch aufbereitet wird und daraus erneut ein Ausgangsprodukt oder –material entsteht (vgl. KG Berlin v. 21.05.2010 – 5 U 103/08 – 110% recycled; OLG Hamburg v. 14.06.1990 – „Recycling-Leder“).

„Pre-Consumer-Recycling“

Den Begriff „Pre-Consumer-Recycling“ kennt das Gesetz nicht. Wenn allerdings „recyling“ voraussetzt, dass etwas aufbereitet wird, was zuvor weggeworfen wurde (siehe oben), ist schon der Begriff „Pre-Consumer–Recycling“ ein Widerspruch in sich: Denn was man noch für die Produktion benutzt, das wirft man schon begrifflich nicht weg. Die Rechtsprechung sieht es ähnlich: Papier beispielsweise, bei dessen Herstellung auch (frische) Fabrikationsreste verarbeitet wird, darf weder als "100% recycled", "premium recycled", "The whitest recycled office paper", "premium recycled office paper", noch als "Neudefinition von Recycling-Papier" bezeichnet werden (KG Berlin v. 21.05.2010 – 5 U 103/08 – 110% recycled). Denn der Verbraucher verbindet mit dem Begriff “100% recycled” die Vorstellung, das zur Herstellung des Produkts verwendete Material sei bereits im Umlauf gewesen, so dass sich mit seiner Wiederverwendung ein Kreislauf schließe. Bei einem Recycling-Produkt erwartet man daher, dass sich hier ein Kreislauf aus Abfall, Abtransport, Wiederaufbereitung und Herstellung schließt (vgl. KG Berlin a.a.O. – 110% recycled).

Irreführung durch „pre-consumer recycling“

Wenn also in dem Angebot eines T-Shirts das Material angegeben wird als „recycelte Pre-Consumer-Baumwolle“, ist das  eine irreführende geschäftliche Handlung. Denn diese Baumwolle hat einen Kreislauf aus Entsorgung, Aufbereitung und Wiederherstellung nicht durchlaufen. Nicht irreführend wäre es, ein aus Materialresten hergestelltes Produkt anzubieten als

„hergestellt aus Materialresten“ bzw. „made from material residues“ bzw. “made from leftover material“.

Werbung mit „schadstofffrei“

Produkte, die mit „schadstofffrei“ beworben werden, müssen auch frei von Schadstoffen sein. Es reicht nicht, wenn gesetzliche Grenzwerte lediglich unterschritten werden (OLG Stuttgart v. 25.10.2018 - 2 U 34/18 - Werbung mit „schadstofffrei").

„Aus eigener Herstellung“, „starke Marken" und „Markenqualität"

Wer mit Produkten aus “eigener Herstellung” wirbt, handelt nicht immer unlauter, wenn er tatsächlich einen Teil der Ware zukauft.

Beispiel (BGH I ZR 89/12 – Matratzen Factory Outlet):
Ein Matratzenhändler stellte 70 % seiner Waren selbst her. 30 % wurde zugekauft. Allerdings durften die Hersteller der zugekauften Ware diese nur dann auch selbst verkaufen, wenn der Matratzenhändler zuvor zugestimmt hatte. Der BGH hat eine Irreführung abgelehnt. Weil der zugekaufte Anteil (30 %) bei Dritten in Lohnfertigung hergestellt wurde und das Drittunternehmen nur mit Zustimmung des Matratzenhändler die nicht an diese gelieferten Matratzen unter einer anderen Bezeichnung weiterverkaufen durfte, habe diese nur als “verlängerte Werkbank” fungiert. Der Händler habe also zulässigerweise mit “eigener Herstellung” werben dürfen .

Werbung mit “Starke Marken” oder “Markenqualität”

Eine Werbung mit

“starken Marken”

suggeriert nach Ansicht des BGH eine “gesteigerte Bekanntheit”. Wer unbekannte Markenware vertreibt, darf nicht mit "starken Marken" werben. Die Werbung mit ”starken Marken” ist irreführend, wenn sich die Marken noch keinen Namen gemacht haben (BGH I ZR 89/12 – Matratzen Factory Outlet). Die Werbung mit

“Markenqualität”

für namenlose (d. h. nicht mit einer Marke gekennzeichnete) Waren ist aber erlaubt. “Markenqualität” sei nicht gleichbedeutend mit “Markenware”. Man würde hierunter lediglich verstehen, dass die Produkte qualitativ den Produkten konkurrierender Markenhersteller entsprächen (BGH I ZR 89/12 – Matratzen Factory Outlet).

    Werbung mit CE-Kennzeichen

    Das „CE-Kennzeichen“ wird – mit Ausnahme von Medizinprodukten – nicht von einer neutralen Stelle erteilt oder verliehen. Es wird vielmehr vom Hersteller selbst auf seinen Produkten aufgebracht. Es handelt sich also um eine eigene Erklärung des Herstellers, dass seine Produkte die Sicherheits- und Gesund-heitsanforderungen nach Anhang I der Richtlinie 98/37/EG erfüllen. Liegen diese Voraussetzungen tatsächlich nicht vor, ist eine Werbung mit dem CE-Kennzeichen irreführend. Irreführend ist es auch, mit den Worten

    „CE geprüft“

    zu werben, weil dies die Prüfung durch eine neutrale Stelle suggeriert (OLG Frankfurt/M. v. 21.06.2012 - 6 U 24/11 - CE-geprüft).

    Irreführungen über Warenvorrat und Lieferfristen

    Werbung mit Lockvogelangeboten bei nur geringem Warenvorrat

    Nicht selten sind Waren schnell ausverkauft, besonders wenn Schnäppchen nur als Lockvogelangebote dienen. Ein Unternehmer, der seine Waren Verbrauchern anbietet und damit rechnet, dass er nicht für einen angemessenen Zeitraum liefern kann, muss schon in der Werbung darauf hinweisen. Sonst ist die Werbung unlauter. Reicht der Vorrat weniger als zwei Tage, muss der Werbende nachweisen, dass aus seiner Sicht der Vorrat angemessen disponiert war (Anhang Nr. 5 S. 2 zu § 3 Abs. 3 UWG, „Schwarze Liste“. Unzulässig ist hier nicht die unzulängliche Bevorratung, sondern die unzu-reichende Information hierüber (BGH v. 10.2.2011 - I ZR 183/09 - Irische Butter).

    Beispiel (BGH v. 17.9.2015 - I ZR 92/14 - Smartphone-Werbung)
    Ein großer Discounter bot in seinem Onlineshop ein Smartphone für € 99,00 an. Ein Sternchentext enthielt den Hinweis:

    „Dieser Artikel kann aufgrund begrenzter Vorratsmenge bereits im Laufe des ersten Angebotstages ausverkauft sein.“

    Tatsächlich war das Smartphone schon am Vormittag des ersten Angebotstags vergriffen. Das war trotz des Sternchentextes irreführend. Denn mit einem derart schnellen Ausverkauf rechnet ein Verbraucher nicht.

    Im Onlinehandel erwartet ein Verbraucher sogar, dass die Ware sofort versendet werden kann. Unlauter ist es hier, Waren anzubieten, die erst in drei Wochen geliefert werden können.  

    Vortäuschung von Warenknappheit und „bait and switch“

    Wer gegenüber Verbrauchern mit einer Warenknappheit wirbt, die tatsächlich nicht existiert, handelt ebenfalls unlauter, siehe Anhang Nr. 7 S. 2 zu § 3 Abs. 3 UWG („Schwarze Liste“). Ebenso unlauter handelt, wer nicht das angebotene Produkt, sondern stattdessen ein anderes verkaufen möchte („bait and switch“), siehe Anhang Nr. 6 S. 2 zu § 3 Abs. 3 UWG („Schwarze Liste“) .

    Werbung mit Lieferfristen

    Lieferfristen müssen richtig angegeben werden. Zulässig ist aber eine Google-Ad-Anzeige:

    „Original Druckerpatronen innerhalb 24 Stunden.“

    Auch wenn eine Lieferung eine Bestellung bis spätestens 16.45 Uhr voraussetzt und eine Lieferung sonntags nicht möglich ist, weiß der Verbraucher, dass es einen einschränkungslosen 24-Stunden-Lieferservice meistens nicht gibt (vgl. BGH v. 12.5.2011 - I ZR 119/10 - Innerhalb 24 Stunden).

    Werbung mit Selbstverständlichkeiten

    Selbstverständlichkeiten als Besonderheiten

    Auch wahre Angaben können irreführend sein, wenn ein irreführender Eindruck erweckt wird. Beispiel hierfür ist die sog. „Werbung mit Selbstverständlichkeiten“. Hier wird eine an sich selbstverständliche oder gar gesetzlich vorgeschriebene Produkteigenschaft als nicht selbstverständlich dargestellt.

    Beispiele
    •    Die Werbeaussage

    „Bei uns erhalten Sie eine Rechnung mit ausgewiesener 19 % Mehrwertsteuer“

    ist irreführend, da diese einen besonderen Vorteil suggeriert (OLG Braunschweig v. 2.9.2010 - 2 U 36/10).

    •    Ebenfalls irreführend ist es, wenn man neben einem „unversicherten Versand“ mit einem teureren „versicherten Versand“ wirbt. Denn dadurch wird dem Verbraucher suggeriert, der versicherte Versand brächte ihm Vorteile. Tatsächlich aber trägt der Händler ohnehin das Versandrisiko, wenn die Ware beim Versand an den Verbraucher untergeht (vgl. §§ 475 II BGB).

    •    Man darf aber ausschließlich einen „unversicherten Versand“ anbieten, wenn man nicht zugleich einen teureren versicherten Versand mit anbietet (vgl. LG Hamburg v. 18.1.2007 - 315 O 457/06 – Unversicherter Versand).

    Ausnahme: Selbstverständlichkeit ist erkennbar

    Eine Irreführung ist aber ausgeschlossen, wenn man erkennt, dass die betonte Eigenschaft etwas Selbstverständliches ist.  

    Beispiele
    •    Eine Werbung mit „Originalware“ ist im Mode- und Textilbereich zulässig, weil hier Fälschungen häufig vorkommen (vgl. OLG Hamm v. 20.12.2010 - I-4 W 121/10, 4 W 121/10).

    •    Ebenso zulässig ist die Aussage „Wir verkaufen nur 100 % Originalware direkt vom Hersteller.“ (OLG Düsseldorf v. 5.12.2011 - I-20 U 128/10)

    Werbung mit Spitzenstellung eines Produktes

    Spitzenstellungswerbung oder Alleinstellungswerbung ist beliebt. Man kauft gern beim Größten und noch lieber bei demjenigen mit den günstigsten Preisen. Hier sind einige Grundsätze zu beachten.

    Spitzenstellung nachprüfbar unwahr?

    Werbung mit der Spitzenstellung eines Produkts darf nicht irreführend sein. Verboten sind Angaben, die nachprüfbar nicht stimmen. Hierbei kommt es zu-nächst darauf an, ob die Werbung überhaupt eine Spitzenstellung suggeriert. Erlaubt sind nämlich subjektive Meinungen, z. B. „Warum wir glauben, dass unser Produkt das Beste ist“. Erlaubt ist auch Superlativwerbung, die derart übertrieben ist, dass sie nicht mehr ernst genommen wird.

    Beispiel(KG Berlin v. 3.8.2010 - 5 W 175/10 – Bester Powerkurs aller Zeiten)
    Erlaubt ist die Aussage:

    „Der beste Powerkurs aller Zeiten.“

    Verallgemeinernde Aussagen

    Erlaubt sind auch verallgemeinernde Aussagen, denen ein Bezug zu Wettbewerbern fehlt und bei denen die werbemäßige Übertreibung gleich erkennbar ist.

    Beispiel (BGH v. 3.5.2001 - I ZR 318/98 - Das Beste jeden Morgen)
    Die Werbung für Frühstückflocken mit dem Slogan

    „Kellog’s – Das Beste jeden Morgen“

    ist ebenfalls nicht irreführend. Denn hier fehlt ein Bezug zu Konkurrenzprodukten. Außerdem ist klar, dass es sich um eine subjektive, suggestive Aussage handelt, weil nur jeder für sich selbst bestimmen kann, was für ihn jeden Morgen das Beste ist.

    Voraussetzung der Spitzenstellungswerbung: Deutlicher Vorsprung vor der Konkurrenz

    Ein Produkt, das mit einer Spitzenstellung angepriesen wird, muss einen deutlichen und stetigen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz haben.

    Beispiele
    •    Die Werbung für ein Blutzuckermessgerät mit den Worten

    „der präziseste Blutzuckerstreifen“

    ist irreführend, wenn tatsächlich nur einzelne Messvorgänge im Vergleich zu den anderen Marktprodukten eine genauere Messung auf-weisen, das Gerät aber nicht in jeder Hinsicht das Präziseste ist (OLG Frankfurt/M. v. 10.8.2017 - 6 U 63/17 - Pharma-Vertriebsbereiche). 

    •    Eine Serie von Gepäckstücken darf nur dann mit

    „World’s Lightest“

    beworben werden, wenn tatsächlich alle beworbenen Gepäckstücke leichter sind als vergleichbare Produkte anderer Hersteller (OLG Frankfurt/M. v.14.2.2019 - 6 U 3/18 - World’s Lightest).

    •    Die Werbung für ein Arzneimittel mit

    „Die Formel lautet: höchste Drogenqualität (= beste Ausgangsstoffe) + höchste Extraktqualität (= bestes Herstellungsverfahren) = bestes Produkt: S® extract!“

    ist irreführend, wenn das Produkt nicht alle ähnlichen Arzneimittel in Qualität und Wirksamkeit übertrifft (OLG Nürnberg v. 14.9.2018 - 3 U 1138/18 - Schnupfenmittel).

    Werbung mit „Original“

    Irreführend kann auch eine Werbung mit einem „Original“-Produkt sein. Denn dieses suggeriert, dass Konkurrenzprodukte Nachahmungen seien. Auch das ist irreführend, wenn dem tatsächlich nicht so ist.

    Beispiel (OLG Celle v. 4.9.2018 - 13 U 77/18 - das Original)

    Ein Radiospot, in dem für Vitalkost geworben wird, mit der Aussage

    „Denn nur das Original hat ein klinisch getestetes Erfolgsrezept. A. – ein-fach, weil es funktioniert“,

    ist irreführend, wenn es sich tatsächlich nicht um das erste Produkt dieser Art gehandelt hat.

    Werbung mit „konkurrenzlos“

    Auch das Wort „konkurrenzlos“ suggeriert eine Alleinstellung.

    Beispiele
    •    Die Werbung

    „KONKURRENZLOS: TELEFONANSCHLUSS VON K. FÜR NUR 9,90 Euro“

    ist eine irreführende Alleinstellungsbehauptung, wenn der Preis von Wettbewerbern unterboten wird (vgl. BGH v. 10.12.2009 - I ZR 149/07 Sondernewsletter).

    •    Ebenfalls irreführend ist die Werbung für ein Anwaltsportal mit der Aussage

    „Konkurrenzloses Marketingkonzept“,

    wenn es vergleichbare Portale schon gibt (vgl. OLG Hamm v. 3.9.2013 – I-4 U 82/13 – Konkurrenzloses Anwaltssuchportal).

    Sternchen-Hinweise

    Blickfangwerbung mit Sternchenhinweisen

    Oft enthält ein beworbenes Produkt Schwächen. Diese versteckt man gerne in Sternchenhinweisen, um die Werbewirkung nicht zu schwächen. Die Rechtsprechung nennt Werbung mit Sternchen „Blickfangwerbung“. Mit „Blickfang“ ist die zentrale Werbeaussage gemeint.

    Sternchen können Irreführung ausschließen

    Die zentrale Werbeaussage muss nicht alle Einschränkungen des Angebots enthalten. Ob Sternchentexte eine Irreführung des Blickfangs ausschließen können, beurteilt sich nach folgenden Kriterien:

    Sternchen muss beim aufklärungsbedürftigen Begriff stehen

    Eine eindeutig falsche Werbeaussage („dreiste Lüge“) kann nicht mit einem Sternchenhinweis korrigiert werden (BGH v. 24.5.2000 - I ZR 222/97 – Falsche Herstellerpreisempfehlung). Wenn es ein nachvollziehbares Interesse an der Werbeaussage gibt, kann diese durch einen Sternchenhinweis korrigiert werden. Eine Aufklärung in einem Sternchenhinweis muss nach der Rechtsprechung „am Blickfang teilhaben“ (BGH v. 2.6.2005 - I ZR 252/02 – Aktivierungskosten II). Das bedeutet: Das Sternchen muss dort gesetzt werden, wo ein Begriff erläutert werden muss. Oft wird dies der Preis sein, wenn hierin nicht alle Preisbestandteile enthalten sind. Das Sternchen darf auch nicht durch einen „Medienbruch“ erst in einem anderen Medium erläutert werden. Sonst handelt es sich um eine irreführende geschäftliche Handlung.

    Beispiel (OLG Bamberg v. 22.6.2016 - 3 U 18/16 - Sternchenhinweis mit Medienbruch):

    Ein Möbelhaus warb in einer Printanzeige:

    „19 % MwSt. GESCHENKT AUF MÖBEL, KÜCHEN UND MATRATZEN + 5 % EXTRARABATT.“

    Die Aussage wurde eingeschränkt durch ein Sternchen, das am Ende der Anzeige erläutert wurde:

    „Nähere Bedingungen und ausgewählte Lieferanten finden Sie im Internet unter ...“

    Dieser Medienbruch war unzulässig. Die Einschränkungen des Angebots hätte schon in der Printanzeige untergebracht werden müssen.

    Blickfangwerbung ohne Sternchenhinweise durch klarstellenden Text

    Unzutreffende Angaben im Blickfang können statt in einem Sternchentext auch in einem klarstellenden Text in der Werbung korrigiert werden. Voraussetzung: Dieser klarstellende Text ist kurz und übersichtlich und wird nicht in der Werbung versteckt. Das gilt allerdings nur dann, wenn man davon ausgehen kann, dass sich der Verbraucher auch mit dem Text beschäftigt. Das wird er umso eher tun, je teurer und langlebiger das beworbene Produkt ist.

    Beispiel BGH v. 18.12.2014 - I ZR 129/13 - Schlafzimmer komplett:

    Ein Möbelhaus bot ein Schlafzimmer an zu

    „1499.- Schlafzimmer komplett“.

    Das Produktfoto zeigte einen Schrank und ein Doppelbett mit Nachtkonsolen. Ein Eyecatcher in Form eines Kästchens enthielt den Text

    "KOMPLETT:
    •    Drehtürenschrank
    •    Doppelbett
    •    Nachtkonsolen"

    In einem ergänzenden Text in kleiner Schrift war zu lesen:

    „Schlafzimmer
    Ausführung Hochglanz weiß. Best. aus: Drehtürenschrank 6-trg., B/H/T ca. 274 x 226 x 60 cm, Doppelbett in Liegefläche ca. 180 x 200 cm und 2 Nachtkonsolen. Ohne Lattenrost, Matratzen, Beimöbel und Deko.“

    Dass Lattenrost und Matratze nicht im Angebotspreis enthalten waren, war nicht irreführend. Denn angesichts des hohen Preises wird sich der Verbraucher eingehender mit dem gesamten Text beschäftigen als bei einem Angebot zu einem niedrigeren Preis, das für den Verbraucher wirtschaftlich folgenlos ist.

    Derartige Aufklärungen dürfen aber nicht in einem so langen und unübersichtlichen Text enthalten sein, dass man davon ausgeht, der Verbraucher würde sie schon nicht lesen (vgl. BGH v. 21.9.2017 - I ZR 53/16 - Festzins Plus). Voraussetzung einer solchen Aufklärung ist aber, dass der Verbraucher den Zusammenhang zwischen unrichtiger Blickfangangabe und aufklärendem Hinweis gewissermaßen "auf einen Blick" erkennt, weil beide Bestandteile in räumlicher Nähe stehen und die aufklärenden Informationen nicht in unübersichtlichem Text "versteckt" werden (OLG Düsseldorf v. 17.07.2020 - I-15 U 76/19, 15 U 76/19 - Fluggastrechte-Inkasso).

    Werbung mit wissenschaftlichen Studien

    Wenn eine Werbeaussage mit einer wissenschaftlichen Studie belegt wird, muss diese Studie bestimmten Anforderungen genügen. Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, entscheiden die „Umstände des Einzelfalls“. Studien müssen anerkannten Regeln wissenschaftlicher Forschung entsprechen, sowohl im Aufbau der Studie also auch in der Auswertung. Die Rechtsprechung fordert hier meist eine „randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung“. Das heißt: Die Studie muss eine un- oder scheinbehandelte Kontrollgruppe einschließen, wobei es dem Zufall überlassen werden muss, ob ein Probant zur Versuchs- oder zur Kontrollgruppe gehört. Weder der Versuchsleiter noch der Probant dürfen wissen, zu welcher Gruppe er gehört. Die Studie muss veröffentlicht und in der Fachwelt diskutiert worden sein (vgl. BGH v. 6.2.2013 - I ZR 62/11, Rn. 19 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).

    Werbung mit Garantien

    Mit einer Garantie verspricht ein Produktanbieter entweder Leistungen die über die gesetzlichen Gewährleistungsrechte hinausgehen, z.B. eine Verlängerung der gesetzlichen Frist, in der Gewährleistungsrechte geltend gemacht werden können. Eine Garantie kann auch dafür übernommen werden, dass ein Produkt bestimmte Eigenschaften hat, z. B. eine bestimmte Haltbarkeit. Wer mit Garantien wirbt, darf hierüber keine irreführenden Angaben machen (Art. 7 Abs. Buchst. g, Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. d der Richtlinie 2005/29/EG, § 5 Abs. 1 Nr. 7, § 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 4 UWG; vgl. auch BT-Drucks. 14/6040, S. 247). Zwar muss nach § 479 BGB eine Garantieerklärung alle wesentlichen Informationen enthalten, die nötig sind, um die Garantie in Anspruch nehmen zu können. Diese Informationspflicht gilt aber nur, wenn bereits tatsächlich eine Garantieerklärung (§ 443 BGB) vor oder beim Kauf rechtsverbindlich angeboten wird. Angebote in Onlineshops und „Sofort-Kaufen“-Angebote auf Ebay sind meistens rechtsverbindliche Angebote. Internetauktionen, etwa auf Ebay, sind dagegen typischerweise Aufforderungen, ein Angebot abzugeben („invitatio ad offeren-dum“). Diese sind noch keine rechtsverbindlichen Angebote. Die Informationen nach § 479 BGB, müssen daher in solchen Aufforderungen, ein Angebot abzugeben, noch nicht angegeben werden.

    Voraussetzung ist aber stets, dass in der Werbung die Herstellergarantie ein entscheidendes Angebotsmerkmal ist. Erwähnt das Angebot die gewerbliche Garantie des Herstellers nur beiläufig, so ist der werbende Unternehmer nicht schon aufgrund dieser bloßen Erwähnung verpflichtet, dem Verbraucher Informationen über die Garantie zur Verfügung zu stellen.

    Beispiel:
    Ein Onlinehändler bot auf Amazon ein Taschenmesser des Schweizer Her-stellers Victorinox zum Kauf an. Das Angebot enthielt keine Angaben zu einer Garantie. Unter der Rubrik „Weitere technische Informationen“ war ein Link mit der Bezeichnung „Betriebsanleitung“ angegeben. Beim Ankli-cken dieses Links gelangte man zu einem zweiseitigen Produktinformati-onsblatt des Herstellers. Die zweite Seite enthielt u. a. eine Erklärung zur „Victorinox-Garantie“:

    „Die Victorinox-Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik 2 Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch ent-stehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.“

    Der Onlinehändler musste hier die gesetzlichen Pflichtinformationen nach § 479 BGB über die Garantie (siehe oben) nicht angeben. Denn die Werbung mit der Garantie wurde nur beiläufig erwähnt und war kein entscheidendes Angebotsmerkmal (EuGH v. 5.5.2022 – C-179/21 – absoluts/the-trading-company).

     

    Werbung mit gesetzlichen Gewährleistungsrechten

    Von einer „Garantie“ streng zu trennen sind die gesetzlichen Gewährleistungsrechte beim Kauf einer mangelhaften Sache (Nacherfüllung, Rücktritt vom Vertrag, Minderung und Schadenersatz). Eine Werbung mit gesetzlichen Gewährleistungsrechten beim Kauf einer mangelhaften Sache (Nacherfüllung, Rücktritt vom Vertrag, Minderung und Schadenersatz) ist unlauter, wenn diese Rechte als etwas Besonderes dargestellt werden (Anhang Nr. 10 S. 2 zu § 3 Abs. 3 UWG („Schwarze Liste“).

    Irreführend ist daher eine Werbung eines Onlinehändlers für Druckerzubehör mit der Werbung

    „Sollten Sie mit einem kompatiblen Produkt nicht zufrieden sein, haben Sie eine 14-tägige Geld-zurück-Garantie“.

    Denn dies suggeriert, dieses Rückgaberecht sei eine Besonderheit, obwohl ein solches Widerrufs- oder Rückgaberecht jedem Verbraucher zusteht, der online einkauft (BHG v. 19.3.2014 – I ZR 185/12 – Geld-Zurück-Garantie III).  

    Werden diese Rechte aber als selbstverständlich dargestellt, ist das nicht unlauter. Zulässig ist es daher, mit gesetzlichen Rechten zu werben, wenn dabei deutlich wird, dass es sich um gesetzliche Rechte handelt. Zulässig ist daher die folgende Werbung (BGH v. 19.03.2014 – I ZR 185/12 – Geld-Zurück-Garantie III, Rn. 15):

    „Für alle Produkte gilt selbstverständlich ebenfalls die gesetzliche Gewährleistungsfrist von 2 Jahren“.

    Werbung mit sonstigen Verbraucherrechten

    Irreführende Angaben über andere Rechte, die dem Verbraucher zustehen, sind ebenfalls unzulässig (§ 5 II Nr. 7 UWG und Nr. 10 des Anhangs zu § 3 III UWG (Schwarze Liste). Das sind beispielsweise Erfüllung, Rücktritt oder Anfechtung eines Vertrags. Es kann sich aber auch um reine Informationsrechte handeln. Hierzu gehört auch die fehlende oder unrichtige Belehrung über ein Widerrufsrecht.

    Beispiele
    •    Unzulässig ist die folgende Werbeaussage einer gesetzlichen Krankenkasse:

    „Wer die BKK M. jetzt verlässt, bindet sich an die neue für die nächsten 18 Monate. Sie müssen am Ende möglicherweise draufzahlen, wenn Ihre neue Kasse mit dem ihr zugeteilten Geld nicht auskommt und des-wegen einen Zusatzbeitrag erhebt.“

    Denn hier wird verschwiegen, dass Versicherte tatsächlich nach dem Gesetz ein Sonderkündigungsrecht haben, wenn die Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erhebt (BGH v. 16.11.1995 - I ZR 25/94 - Widerrufsbelehrung III).

    IRREFÜHRUNGEN ÜBER DAS WERBENDE UNTERNEHMEN

    Über die Person des Werbenden, wie beispielsweise über seine Identität, sein Vermögen, seine Fähigkeiten und Zulassungen oder über die Art seines Ver-triebs, darf man nicht täuschen (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG).

    Irreführung über die Identität

    Auch Angaben über die Identität des Unternehmers oder seines Vermögens oder etwa über die Art seines Vertriebs dürfen nicht in die Irre führen.

    Beispiele
    •    Ein rechtlich selbständiger „Shop-in-Shop“-Betreiber in einem Kaufhaus darf nicht den Eindruck erwecken, er gehöre zu einer Abteilung des Kaufhauses (BGH v. 27.10.1988 - I ZR 47/87 - Shop in the Shop II).  

    •    Wer sich als „Stadtwerke“ bezeichnet, muss mehrheitlich in kommunaler Hand sein. Wenn kommunale Anteilseigner nur Minderheitsanteile halten, ist diese Bezeichnung irreführend (BGH v. 13.6.2012 - I ZR 228/10 - Stadtwerke Wolfsburg).

    Werbung mit Spitzenstellung eines Unternehmens

    Nicht selten bezieht sich nicht die behauptete Spitzenstellung auf ein Produkt, sondern auf den Werbenden selbst. Auch solche unternehmensbezogenen An-gaben sind unlauter, wenn es sich um unrichtige Tatsachen handelt. Wer mit der Spitzenstellung seines Unternehmens wirbt, sollte sorgfältig prüfen, wie das Publikum die Werbeaussage verstehen könnte und was es von dem werbenden Unternehmen erwartet.

    Beispiele:
    •    Ein Telekommunikationsunternehmen warb mit der Aussage:

    „T-Online ist Europas größter Onlinedienst.“

    Es hatte 3,3 Mio. Kunden in Deutschland. In zahlreichen Ländern in Europa war es nicht vertreten. Ein Mitbewerber hatte europaweit zwar nur 2,7 Mio. Kunden. Dessen Kunden hielten sich aber mehr als sie-benmal so lange im Netz auf wie Kunden von T-Online. Für den po-tenziellen Kunden eines Online-Dienstes ist aber nicht die Anzahl der Kunden entscheidend, sondern die Möglichkeit, dessen Dienste in An-spruch zu nehmen. Das wiederum entscheiden die Verfügbarkeit und die Nutzungsdauer. Da hier der Mitbewerber führte, war die Werbung irreführend (BGH v. 17.6.2004 - I ZR 284/01 - Größter Online-Dienst).  

    •    Die Werbung eines Kaufhauses als

    „Marktführer im Sortimentsfeld Sport“

    ist irreführend, wenn ein Wettbewerber im gleichen Sortiment umsatzstärker ist (vgl. BGH v. 8.3.2012 - I ZR 202/10 - Marktführer Sport).

    Auch bei Spitzenstellungswerbung gilt: Meinungsäußerungen sind erlaubt.

    Beispiel (OLG Bremen v. 27.8.2010 - 2 U 62/10 - Meine Nr. 1):
    Die Werbung eines Telekommunikationsunternehmens mit dem Bild einer Frau, die lächelnd auf einen Anzeigentext schaut, der sich auf das Unternehmen bezieht und der lautet

    „Meine Nr. 1!“,

    ist nicht irreführend. Denn man erkennt, dass es sich um ein subjektives Werturteil handelt („Meine … „).

    Irreführung über die Firmentradition

    "Tradition"

    Tradition schafft Vertrauen. Sie suggeriert Erfahrung. Unternehmen verändern sich. Der Wandel der Zeit steht der Tradition gelegentlich entgegen. Nicht selten nimmt man es dabei mit der Firmentradition nicht so genau. Auf einen Wechsel des Inhabers, der Rechtsform oder des Firmennamens kommt es nicht an. Doch derjenige, der mit einer Firmentradition wirbt, muss im Wesentlichen das gleiche Unternehmen führen. Man muss von einer Unternehmenskontinuität sprechen können, wenn man sich auf eine Firmentradition beruft. Ein zwischenzeitliches Insolvenzverfahren muss aber einer 100-jährigen Firmentradition nicht schaden, wenn dennoch das Unternehmen im Wesentlichen unverändert fortgeführt wurde (OLG Frankfurt/M. v. 7.9.2015 - 6 U 69/15 - Irreführende Werbung mit langjähriger Firmentradition). Eine völlige Veränderung des Produktsortiments spricht aber gegen eine Unternehmenskontinuität. Denn für die neuen Produkte fehlt die Erfahrung. Wer wirbt mit „… seit 1920“ muss eine Unternehmenskontinuität seit 1920 nachweisen können.

    Beispiele
    •    Irreführend wirbt mit der Aussage

    „Grundlage unseres Unternehmens sind eine große Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht“,

    wenn der einzige Bezug zu dem damaligen Unternehmen darin besteht, dass es zulässigerweise ein gleiches Zeichen (Logo) benutzt hat (OLG München v. 7.11.2013 - 29 U 1883/13 - Irreführende Werbung mit Alter und Tradition des Unternehmenskennzeichens).

    •    Irreführend ist es auch, wenn ein Unternehmen mit einer Geschäftstradition seit 1958 wirbt und dabei verschweigt, dass aus dem ursprünglich gegründeten Unternehmen tatsächlich mehrere Unternehmen hervorgegangen sind, die zu einer Unternehmens-gruppe gehörten. Denn damit wird suggeriert, es gäbe nur ein Nachfolgeunternehmen (OLG Frankfurt/M. v. 15.10.2015 - 6 U 167/14 - Irreführende Werbung mit Unternehmensge-schichte nach Unternehmensaufspaltung).

    "Jahrelang" und "langjährig"

    "Langjährig" und "jahrelang" sind nicht das gleiche. "Langjährig" ist länger als "jahrelang". "Jahrelang" kann schon eine Dauer von zwei Jahren sein. "Langjährig" ist dagegen eine lange Reihe von Jahren (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 25.03.2021 - 6 U 212/19 - Werbung eines Unternehmens mit "jahrelanger Erfahrung")

    "Outlet" irreführend für einen Einzelhändler

    Der BGH hielt die Bezeichnung eines Einzelhändler als “Outlet”  für irrerführend. Man erwarte bei einem “Outlet” einen günstigen Preis gerade dadurch, dass der Groß- und Einzelhandel wegfalle. Das sei bei einem Einzelhändler auch dann nicht der Fall, wenn er über 500 Filialen betreibe (BGH I ZR 89/12 – Matratzen Factory Outlet)

    Irreführende Angaben über Sponsoring oder Engagements

    Werbung mit sozialen, sportlichen, kulturellen oder ökologischen Engagements, z. B. für die Umwelt, darf nicht täuschen (Vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 UWG). Wer sich wahrheitswidrig als „Aus-rüster“ oder „Partner“ eines Geförderten bezeichnet oder etwa dessen Symbole benutzt, handelt irreführend. Es gibt aber keine allgemeine Pflicht, über die Höhe der Förderung (z. B. eine Spende für ein Regenwaldprojekt) zu informieren (BGH v. 26.10.2006 - I ZR 33/04 - Regenwaldprojekt I). Sie muss jedenfalls nennenswert sein (OLG Hamburg v. 2.10.2002 - 5 U 43/02 - Bringt die Kinder durch den Winter).

    Werbung mit Neueröffnung oder Geschäftsaufgabe

    Eine „Neueröffnung“ setzt eine Schließung voraus. Wer mit einer „Neueröffnung nach Totalumbau“ wirbt, sein Geschäft aber während des Umbaus gar nicht geschlossen hatte, handelt wettbewerbswidrig (OLG Hamm v. 21.03.2017 - 4 U 183/16 - Wiedereröffnung nach Totalumbau). Unzulässig ist es auch, mit einer Geschäftsaufgabe zu werben, wenn eine solche gar nicht beabsichtigt ist (Nr. 15 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, „Schwarze Liste; OLG Köln v. 18.9.2009, 6 U 79/09 – „Die letzten 6 Ausverkaufstage“).

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