Werbung mit unscharfen Umweltschutzbegriffen wie „CO2 reduziert“, „umweltfreundlich", „umweltverträglich", „umweltschonend" oder „nachhaltig" muss erläutert werden. Denn es ist oft unklar, auf welchen Teil des Produkts oder auf welchen Aspekt der Produktion, der Verpackung oder des Vertriebs sich die Aussage bezieht. Den angesprochenen Verkehrskreisen muss man dies erläutern. Pauschale Werbungen mit solchen Begriffen sind ohne solche Erläuterungen irreführend und unzulässig (OLG Hamm v. 19.08.2021 - 4 U 57/21 - CO2-reduziert). Auch wer mit einer absoluten CO2-Reduktion von 3,5 t bzw. eines CO2-Ausgleiches von -3,5 t für ein Finanzprodukt wirbt, obwohl es sich hierbei tatsächlich um Zielwerte handelt, die auch erheblich unterschritten werden können, handelt irreführend (LG Stuttgart, Urt. v. 10.1.2022 – 36 O 92/21 KfH - Irreführende Werbung bei nachhaltigem Investmentprodukt).
Ausnahme: "klimaneutral" muss nicht erläutert werden
Anders ist das bei Begriffen wie „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“. Denn die Bedeutung dieser Begriffe ist klar. Hier ist sich die Rechtsprechung nur uneins, ob man darüber aufklären muss, wenn die CO2-Neutralität nur über Kauf von Zertifikaten erreicht wird (hierzu unten).
Umweltschutzbegriffe „umweltfreundlich“, „nachhaltig“, „grün“
Begriffe wie „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“ „umweltschonend“ oder „nachhaltig“ sind nicht definiert. Es ist daher unklar, wann ein Produkt als umweltfreundlich oder nachhaltig gilt, das mit solchen Begriffen beworben wird. Erst recht gilt dies für den Begriff „grün“ als Hinweis auf ein umweltfreundliches Produkt (vgl. OLG Schleswig v. 3.9.2020 – 6 U 16/19 - Grüner Regionalstrom). Oft bezieht sich eine Umweltfreundlichkeit auch nur auf einen Teilaspekt des Produkts. Das kann beispielsweise eine im Vergleich zu einem gleichartigen Produkt reduzierte Schadstoffemission bei der Herstellung sein.
Beispiel:
Eine Zeitungsrolle (Briefkasten) wird beworben mit den Worten
„Ferro Star - die Zeitungsrolle im Edelstahl-Look Spezialverzinkt und im Edestahl-Look beschichtet Umweltfreundlich produziert“.
Das ist ohne weitere Erläuterungen irreführend. Denn die Werbung lässt offen, in welcher Hinsicht der Produktionsprozess umweltfreundlich sein soll (OLG Stuttgart v. 14.09.2017 - 2 U 2/17).
Auch die Werbung für ein Produkt, das „nachhaltig“ sein soll, ist irreführend, wenn nicht erläutert wird, in welcher Hinsicht Nachhaltigkeit vorliegen soll.
Beispiel:
Eine Leuchte wird beworben mit den Worten
„[...] nachhaltige Verpackungen. Unser Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit“.
Auch diese Werbung ist ohne weitere Erläuterungen irreführend. Denn die Werbung lässt in dieser Allgemeinheit offen, in welcher Hinsicht eine Nachhaltigkeit vorliegen soll (OLG Hamm v. 19.08.2021 - 4 U 57/21 - CO2-reduziert).
Aufklärungspflicht bei Umweltschutzbegriffen
Wenn diese aufklärenden Hinweise in der Werbung fehlen oder nicht deutlich sichtbar sind, ist die Werbung irreführend und unzulässig. Nach der Rechtsprechung muss der Verbraucher darüber aufgeklärt werden, warum und in welcher Hinsicht ein Produkt beispielsweise „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“ ist. Wer mit Umweltschutzbegriffen wirbt, muss daher darauf hinweisen, warum das Produkt umweltfreundlich ist (OLG Hamm v. 19.08.2021 – 4 U 57/21 - CO2-reduziert; OLG Düsseldorf v. 17.05.2016 - 20 U 150/15, BGH v. 20.10.1988 - I ZR 238/87 - Aus Altpapier).
Umfang der Aufklärungspflicht bei Umweltschutzbegriffen
Der Umfang der Aufklärung hängt ab von dem beworbenen Produkt und dem Umfang der Umweltfreundlichkeit ab. Wenn „blickfangmäßig“ mit einer Umweltfreundlichkeit (oder einem anderen unscharfen Umweltbegriff) geworben wird, gelten die Grundsätze der „Blickfangwerbung“: Man muss dann bereits an dieser Stelle aufklären, was damit gemeint ist (OLG Stuttgart v. 14.09.2017 - 2 U 2/17 - Umweltfreundlich produziert). Eine Aufklärung durch einen Sternchenhinweis reicht in diesem Fall nicht (vgl. BGH v. 21.09.2017 - Festzins Plus).
Werbung mit „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“
Weniger streng ist die Rechtsprechung bei Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ oder „CO2-neutral. Dieser enthält - anders als etwa der unscharfe Begriff „CO2 reduziert“ (vgl. OLG Hamm a.a.O. - CO2-reduziert) - die eindeutige Aussage, dass das beworbene Produkt eine ausgeglichene CO2-Bilanz aufweist (OLG Schleswig v. 30.06.2022 - 6 U 46/21 - Klimaneutraler Müllbeutel II, ebenso OLG Frankfurt v. 10.11.2022 - 6 U 104/22). Allerdings muss der Werbende auch sagen, auf was sich die „Klimaneutralität“ beziehen soll - auf die Herstellung oder auf die Nutzung des Produkts.
Beispiel:
Ein Kerzenhersteller wirbt für sein Produkt mit der Aussage
„Klimaneutrale Kerzen: Alle von [X] hergestellten Kerzen sind klimaneutral. X strebt Null-CO2 Emission an und sorgt in seinem Unternehmen konsequent für Klimaneutralität, vor allem durch Kompensation von CO2-Belastung“.
Das war irreführend, weil es Kerzen bei der Verbrennung CO2 emittieren und eine „Scherzerklärung“ nicht anzunehmen ist (LG Düsseldorf v. 19.07.2013 - 38 O 123/12 - Klimaneutrale Kerzen)
Eine zulässige Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ setzt allerdings voraus, dass die bei der Produktion entstehenden CO2-Emissionen vollständig und nicht nur teilweise kompensiert werden (OLG Koblenz v. 10.08.2011 - 9 U 163/11 - CO2-neutral).
Aufklärungspflicht über Kompensationsmaßnahmen gegenüber Verbrauchern?
Uneinigkeit besteht in der Rechtsprechung allerdings darüber, ob man Verbraucher darüber aufklären müsse, wie die „Klimaneutralität“ hergestellt wird. Denn es besteht ein Unterschied, ob ein Hersteller eigene Emissionen vermeidet oder seine Emissionen über den Kauf von Zertifikaten kompensiert. Das Oberlandesgericht Schleswig meint, die Angabe „klimaneutral“ enthalte nicht auch die weitere Erklärung, die ausgeglichene Bilanz werde durch gänzliche Emissionsvermeidung bei der Produktion erreicht. Art und Umfang der Kompensationsmaßnahmen müssten daher nicht erläutert werden (OLG Schleswig a.a.O. - Klimaneutraler Müllbeutel II). Der gleichen Ansicht ist das Landgericht Kleve, jedenfalls bei einer Werbung gegenüber einem Fachpublikum. Diesem sei bekannt, dass Klimaneutralität durch Kompensationen hergestellt werden kann (LG Kleve v. 22.06.2022 -
8 O 44/21 - Klimaneutral).
Andere Gerichte sehen das bei Werbung gegenüber Verbrauchern anders. Das Landgericht Konstanz etwa ist der Ansicht, dass die Werbung für ein „klimaneutrales Premium-Heizöl“ erläutert werden muss. Verbraucher würden über die komplexen wissenschaftlichen Zusammenhänge beim Umweltschutz wenig wissen. Wegen der „emotionalen Werbekraft von umweltbezogenen Aussagen“ müssten sie darüber aufgeklärt werden, ob Werbende durch eigene Energieeinsparungen oder durch den eigenen Einsatz regenerativer Energien zur Verringerung der CO2-Emissionen beitragen oder aber allein Zertifikate über eine finanzielle Beteiligung an den CO2-Ausstoß verringernden Projekten in Schwellen und Entwicklungsländern erworben haben (LG Konstanz v. 19.11.2021 - 7 O 6/21 - Klimaneutrales Heizöl). Ebenso sieht es das Landgericht Mönchengladbach. Die Werbung mit der Aussage „Klimaneutraler Preis-Leistungs-Klassiker“ für eine Marmelade sei ohne weitere Hinweise, dass die Klimaneutralität über eine finanzielle Unterstützung von Aufforstungsprojekten in Südamerika hergestellt würde, irreführend (LG Mönchengladbach v. 25.02.2022 - 8 O 17/21 - Klimaneutrale Marmelade). Auch das Landgericht Oldenburg hält die Werbung für Fleisch mit dem Wort „klimaneutral“ für irreführend, wenn man nicht darüber informiert, dass lediglich CO2-Zertifikate gekauft würden (LG Oldenburg v. 16.12.2021 - 15 O 1469/21 - Klimaneutrales Fleisch). Das OLG Frankfurt ist der gleichen Ansicht. Wörtlich heißt es in dem Urteil des OLG Frankfurt v. 10.11.2022 - 6 U 104/22 - Klimaneutrales Geschirrspülmittel:
Der Verkehr geht z.B. nicht davon aus, dass ein Unternehmen, das sich als „klimaneutral“ bezeichnet, allein auf Ausgleichsmaßnahmen Dritter bzw. auf den Kauf von Zertifikaten setzt. Der Zertifikatehandel und andere Kompensationsmöglichkeiten stehen - jedenfalls aus Verbrauchersicht - in dem Verdacht, das betreffende Unternehmen betreibe nur sog. „Greenwashing“, ohne dass der Klimaschutz tatsächlich maßgeblich verbessert wird.
Es ist daher keineswegs sicher, dass sich die Ansicht des Oberlandesgerichts Schleswig durchsetzt. Wer auf der sicheren Seite sein möchte, gibt daher besser in der Verbraucherwerbung an, dass sein Produkt nur über einen Zertifikate(zu-)kauf klimaneutral geworden ist.
Schließlich muss man - ebenso wie bei der Werbung mit "Made in Germany" - beachten, ob sich eine Werbung mit "klimaneutral" auf ein Produkt oder ein Unternehmen bezieht. Wenn nur das Unternehmen als "klimaneutral" zeritfiziert wurde, darf es seine Produkte nicht als "klimanautral" bewerben (OLG Frankfurt v. 10.11.2022 - 6 U 104/22 - Klimaneutrales Geschirrspülmittel).