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Influencer Marketing - Die aktuelle Rechtsprechung

Influencer-Marketing wirkt, weil sich der kommerzielle Zweck der Produktempfehlungen nicht ohne weiteres offenbart. Eine Influencerin tut privat, um kommerziell zu verdienen. Follower sollen ja nicht glauben, sie seien bloß Honorarbegeisterte. Influencer berufen sich daher gerne darauf, sie handelten privat oder es seien redaktionelle Inhalte. Ob ein Post auf Instagram einen kommerziellen Zweck verfolgt, beurteilt die Rechtsprechung anhand von Indizien.
Die Influencer-Rechtsprechung des BGH
Am 9.9.2021 hat der BGH in einer Pressemitteilung seine drei Fälle zum Influencer-Marketing veröffentlicht. Die inzwischen veröffentlichten Urteilsgründe verwirren zunächst. Sie werden aber vor dem Hintergrund der UWG Reform 2022 verständlich.
BGH, Urteil vom 9.9.2021, I ZR 90/20 - Influencer I

Zur Erinnerung: Ein Verbraucherverband beanstandete verschiedene Beiträge auf Instagram von Influencerinnen als ungekennzeichnete Schleichwerbung. In der Entscheidung „Influencer I“ ging es um eine „Raspberry Jam“, eine Himbeermarmelade, einer Fitness-Influencerin. Diese Himbeermarmelade war mit einem „Tap Tag“ versehen, durch den man auf das Instagram-Profil des Herstellers weitergeleitet werden konnte. Der BGH nahm an, dass diese Werbung eine geschäftliche Handlung war (die erst zur Anwendung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG, führte): Wer für eine Gegenleistung für andere werbe, handele geschäftlich und nicht um seine Meinung zu äußern. Aber auch wer nicht für eine Gegenleistung werbe, handele geschäftlich, wenn die Werbung einen „werblichen Überschuss“ enthalte, so z.B., wenn die Tap Tags mit Internetseiten des Herstellers verlinkt seien (BGH v. 9.9.2021, I ZR 90/20 - Influencer I). Das sei hier der Fall gewesen.
BGH, Urteil vom 9.9.2021, I ZR 125/20 – Influencer II

Die Entscheidung „Influencer II“ behandelte eine Influencerin mit 1,7 Mio. Followern. Sie postet zu den Themen Mode, Beauty, Lifestyle, Reisen. Ihr Instagram-Konto ist verifiziert und mit einem blauen Haken gekennzeichnet. Gegenleistungen für ihre Posts erhalte sie angeblich nicht. Obwohl ihre Beiträge mit verlinkten Tap Tags versehen sind (was auf einen „werblichen Überschuss“ hindeuten würde) hat der BGH eine Kennzeichnungspflicht verneint: Die Influencerin habe die Werbung nicht kennzeichnen müssen. Denn sie unterhalte einen verifizierten Account-. Ein solcher wird auf Instagram mit einem blauen Häkchen für diejenigen ausgewiesen, die viele Follower haben. Dieses blaue Häkchen sei ein „Statussymbol“ und lasse auf einen kommerziellen Account schließen, so der BGH. Außerdem habe die Influencerin 1,7 Millionen Follower. Die beanstandeten Posts hätten zwischen 45.000 und 65.000 „Likes“ generiert. Angesichts dieser Zahlen sei es ausgeschlossen, dass die Follower private Freunde seien. Die Fotos seien keine Schnappschüsse, sondern arrangiert worden. Das wüssten die Instagram-Nutzer. Der kommerzielle Zweck sei daher offensichtlich. Die Influencerin habe daher ihre Werbe-Posts nicht kennzeichnen müssen.
Die zunächst verwirrende Begründungen des BGH
Die rechtlichen Begründungen der „Influencer-I“ und „Influencer-II“-Entscheidungen verwirren zunächst. In den Entscheidungen führt der BGH zunächst seitenlang aus, weshalb die Werbung nach § 5a VI UWG aus den Umständen als solche zu erkennen ist, obwohl er zugleich feststellt, dass diese Vorschrift hier gar nicht anwendbar ist. Denn diese Vorschrift würde in den drei Fällen durch § 6 I 1 TMG und § 58 I 1 RStV (jetzt: § 22 I 1 MStV) verdrängt werden. Letztendlich begründet der BGH seine „Influencer-I“- und „Influencer-II“-Entscheidungen mit § 6 I 1 TMG und § 58 I 1 RStV: Nach § 6 I 1 TMG muss kommerzielle Kommunikation klar als solche gekennzeichnet werden. Da die Posts der Influencerin in der „Influencer II“-Entscheidung klar aus den Umständen als kommerzielle Kommunikation erkennbar gewesen sei („blaues Häkchen“, Anzahl der Follower und „Likes“) scheide ein Verstoß gegen § 6 I 1 TMG aus. Aus diesem Grund habe die Influencerin auch nicht gegen § 58 I 1 RStV verstoßen.
BGH, Urteil vom 9.9.2021, I ZR 126/20 - Blauer Plüschelefant

In der Entscheidung "blauer Plüschelefant" schließlich hielt die Influencerin einen blauen Plüschelefanten vor den Kopf ihres Kindes. Der Plüschelefant ist nicht mit einem Markentag versehen, aber anhand des gelben Stofffähnchens mit Aufschrift als Steiff-Plüschtier zu erkennen. Auch sonst wird die Marke „Steiff“ nicht erwähnt. Die Influencerin behauptete, für den Post nicht bezahlt worden zu sein und den Plüschelefanten selbst gekauft zu haben. Aus diesem Grund hat auch hier der BGH eine Rechtsverletzung verneint: Der Instagram-Beitrag sei bereits keine Werbung gewesen, da sie keine Gegenleistung hierfür erhalten habe.
Begründung vor dem Hintergrund der "Influencer-Klausel" 2022
Die Begründungen der Influencer-Urteile sind mit Blick auf die kommende UWG-Reform zu verstehen: Am 28. Mai 2022 traten Änderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Kraft. Ab diesem Tag gilt u.a. mit dem neuen § 5a IV UWG eine neue „Influencer-Klausel“: Wer zugunsten eines anderen Unternehmens wirbt, muss die Werbung nur dann kennzeichnen, wenn er eine Gegenleistung erhalten hat. Der Erhalt einer Gegenleistung wird allerdings gesetzlich vermutet. Ein Influencer muss glaubhaft machen, dass er keine Gegenleistung erhalten hat, um der Kennzeichnungspflicht zu entgehen. Das kann er beispielsweise tun, indem er einen Kaufbeleg über das beworbene Produkt oder eine eidesstattliche Versicherung vorlegt.
Die Anwendung des § 5a IV UWG wird durch „Influencer I“ und „Influencer II“ nicht ausgeschlossen. Der BGH hat in diesen Urteilen zwar konstatiert, dass die in § 6 I 1 TMG und § 58 I 1 RStV zum Ausdruck kommenden medienrechtlichen Wertungen nicht durch die Anwendung der allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Vorschrift des § 5a Abs. 6 UWG unterlaufen werden dürfen. Das steht in Einklang mit dem neuen UWG. Denn auch nach dem ab dem 28. Mai 2022 geltenden § 1 II UWG wird das UWG von Regelungen besonderer Aspekte unlauterer Handlung verdrängt. Die Gesetzesbegründung nennt ausdrücklich das Telemediengesetz und den Medienstaatsvertrag. Nicht verdrängt wird das UWG dort, wo die spezielleren Regelungen auch spezieller sind. Regelt wiederum das neue UWG einen Aspekt spezieller, dann gilt dieses (§ 1 II UWG, siehe auch Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbsrecht und Gewerberecht, Seite 32). Der neue § 5a IV UWG ist eine solche speziellere Regelung. Er ist speziell für die Influencer-Fälle entworfen worden.
Richtige Kennzeichnung von Posts in sozialen Medien
Werbung muss als solche gekennzeichnet werden. Eine Kennzeichnung als „#ad“ reicht nicht aus.
Beispiel (nach OLG Celle v. 8.6.2017 - 13 U 53/17 - Schleichwerbung in sozialen Medien):
Eine Influencerin mit über 1 Mio Followern, postete auf Instagram den folgenden Beitrag:„An alle Sparfüchse: AUFGEPASST! NUR morgen gibt es in allen Filialen von #rossmann & im Online Shop 40% Rabatt auf Augen Make-Up! Viel Spaß beim Einkaufen! @mein_r. Eyes: RdeL Y. Mascara & M. N. Y. The Rock Nudes Lidschatten Palette
#b. #ad #eyes #shopping #rabatt #40prozent“
Auftraggeber der Influencerin war eine Drogeriekette. Dies war wettbewerbswidrig. Denn es handele sich um eine „geschäftliche Handlung“, deren kommerzieller Zweck nicht kenntlich gemacht worden war. Eine Kennzeichnung wäre auch nötig gewesen. Denn dass es sich um Werbung gehandelt hatte, war nicht ohne weiteres erkennbar gewesen. So enthielt der Post beispielsweise mehrere Emojis, wie sie auch in privaten Nachrichten üblich sind. Auch die Kennzeichnung mit „#ad“ reichte nicht aus. Denn auf den ersten Blick war „#ad“ nicht erkennbar, zumal der Hashtag unter den anderen Hashtags unterging. Auch eine Kennzeichnung mit "Sponsored Content" reicht nicht (vgl. LG Hamburg v. 21.12.2018 - 315 O 257/17). Werbung durch Influencer muss richtigerweise gekennzeichnet werden mit
„WERBUNG“ oder „#werbung“ bzw.
„ANZEIGE“ oder #anzeige
und zwar am Anfang des Posts und nach Ansicht des OLG Frankfurt für den gesamten Instagram Account.
BGH v. 13.01.2022, I ZR 35/21 - Influencer III
Kennzeichnungspflichtige Werbung zugunsten fremder Unternehmen

Eine Influencerin inszenierte sich mit dem oben abgebildeten Post mit Ohrringen in einer kurzen schwarzen Hose, einer rosafarbenen Jacke und einer Umhängetasche. Die Influencerin hat auf Instagram und Youtube Abonennten im hohen sechstelligen Bereich. Sie beschäftigt sich hauptberuflich mit ihren Beiträgen im Internet, hat einen Manager und erzielt jährliche Einnahmen im sechsstelligen Bereich. Die Artikel in dem Beitrag auf Instagram waren mit Tap Tags „six_accessories“, „clockhouse“, „furla“ und „subdued“ versehen, die mit den Instagram-Konten der jeweiligen Hersteller verlinkt waren. Die Influencerin hatte die Ohrringe („six_accessiores“) von dem Unternehmen „Six“ kostenlos erhalten. Die übrigen Artikel hatte sie selbst gekauft.
Der BGH stellte zunächst klar, dass der Post zwar den Absatz fremder Unternehmen förderte, nämlich der Unternenmen „Six“, „Clockhouse“, „Furla“ und „Subdued“. Nur bezüglich der Ohrringe („Six“) war es aber auch eine kommerzielle Kommunikation („Werbung“) im Sinne des § 2 S. 1 Nr. 5 TMG. Denn hinsichtlich der Ohrringe hatte die Influencerin den Beitrag nicht „ohne finanzielle Gegenleistung“ (§ 2 S. 1 Nr. 5 b) TMG) gemacht. Ob die Ohrringe explizit als Gegenleistung für den Beitrag zur Verfügung gestellt wurden, sei irrelevant. Denn der Hersteller habe die Ohrringe zur Verfügung gestellt, gerade weil er einen Beitrag erwartet habe. Es habe sich daher nicht um einen „unabhängigen“ Beitrag gehandelt, der nicht als Werbung gekennzeichnet werden müsse, so der BGH. Die Werbung für die Six-Ohrringe war vielmehr kennzeichnungspflichtig (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG, 22 Abs. 1 S. 1 MStV).
Kennzeichnungspflichtige Werbung zugunsten des eigenen Unternehmens der Influencerin
Kennzeichnungspflichtig war aber der Post auch hinsichtlich der übrigen Artikel. Zwar hat die Influencerin hierfür keine Gegenleistung erhalten, sondern diese selbst gekauft. Der Beitrag war aber dennoch eine Werbung und zwar zugunsten des eigenen Unternehmens der Influencerin. Denn wer ein Instagram-Konto unterhalte und seine Bekanntheit und seinen Werbewert steigere und dadurch das Interesse von Unternehmen an einer Kooperation wecke, handele geschäftlich. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass jemand für den Beitrag bezahle. Die Werbung war daher unlauter nach § 5a Abs. 6 UWG und hätte als Werbung (für ihr eigenes Unternehmen) gekennzeichnet werden müssen.
BGH v. 13.01.2022, I ZR 9/21 - Salon Zauberschön
Kennzeichnungspflicht auch bei unbezahltem Beitrag

Im Fall "Salon Zauberschön" ging es um den abgebilderten Beitrag einer Influencerin. Der Tap Tag enthielt „zauberschoen_aachen“ und war mit dem Instagram-Profil des gleichnamigen Unternehmens verlinkt. Mit diesem Salon hatte die Influencerin seit dem Jahr 2017 einen Werbevertrag. Für den konkreten Beitrag aber hatte sie keine Gegenleistung erhalten.
Sinn und Zweck der Kennzeichnungspflicht
Der Bundesgerichtshof hat auch hier eine kennzeichnungspflichtige Werbung zugunsten des Salons Zauberschön, als auch zugunsten des Unternehmens der Influencerin angenommen. Die Kennzeichnung als Werbung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Werbecharakter sich aus den Umständen ergebe. Denn hierfür ist erforderlich, dass man einen solchen kommerzieller Zweck bereits auf den ersten Blick erkennen kann. Denn Sinn und Zweck der Kennzeichnungspflicht ist es, dass ein Verbraucher Werbung sofort erkenne und dann entscheiden könne, ob er nun kritischer oder gar nicht mehr weiterlese (BGH v. 13.01.2022, I ZR 9/21 - Salon Zauberschön, Rz. 49). Die vielen Follower allein machen den Werbecharakter noch nicht aus den Umständen erkennbar. Es sei auch nicht allgemein bekannt, dass Influencer kommerziell handelten. Denn Influencer präsentierten sich in erster Linie als Privatpersonen. Der Werbecharakter des Beitrags war daher nach Ansicht des BGH nicht bereits auf den ersten Blick erkennbar.
„Influencer-Klausel“ ab 28.05.2022 in § 5a Abs. 4 UWG
Seit dem 28. Mai 2022 gilt mit § 5a Abs. 4 UWG eine „Influencer-Klausel“: Wer zugunsten eines anderen Unternehmens wirbt, muss die Werbung nur dann kennzeichnen, wenn er eine Gegenleistung erhalten hat. Der Erhalt einer Gegenleistung wird allerdings gesetzlich vermutet. Ein Influencer muss glaubhaft machen, dass er keine Gegenleistung erhalten hat, um der Kennzeichnungspflicht zu entgehen. Das kann er beispielsweise tun, indem er in einem Prozess einen Kaufbeleg über das beworbene Produkt oder eine eidesstattliche Versicherung vorlegt.
Autor: Anwalt Wettbewerbsrecht und Rechtsanwalt Markenrecht Thomas Seifried