Einstweilige Verfügung

Einstweilige Verfügung, Dringlichkeit und Muster einer Abschlusserklärung

Einstweilige Verfügung: Vorläufige gerichtliche Eilentscheidung

Sofortige Zwangsvollstreckung möglich

Eine Einstweilige Verfügung ist eine vorläufige Entscheidung des Gerichts zur Sicherung eines Anspruchs, der nicht auf Geld gerichtet ist. Besonders im Markenrecht und Wettbewerbsrecht werden Ansprüche gerne in einstweiligen Verfügungsverfahren durchgesetzt, weil hier die erforderliche Dringlichkeit gesetzlich vermutet wird. Eine einstweilige Verfügung ist sofort vollstreckbar. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist die Dringlichkeit. Außerdem darf die Hauptsache nicht vorweggenomen werden. Eine endgültige Regelung ist dem "Hauptsacheverfahren" vorbehalten. Eine ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss erlassene einstweilige Verfügung nennt man "Beschlussverfügung". Einstweilige Verfügungen, die bereits vor einer Abmahnung erlassen und dem Antragsteller vorliegen, nennt man "Schubladenverfügungen".

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Vorteile einer einstweiligen Verfügung

Eine einstweilige Verfügung hat für den Antragsteller eine Reihe von Vorteilen. Der Wichtigste: Es geht schnell. Einstweilige Verfügungen werden in den meisten Fällen nach kurzer Anhörung des Gegners ohne mündliche Verhandlung erlassen. Sobald die einstweilige Verfügung zugestellt ist, kann der Antragsteller aus ihr vollstrecken, z.B. mit einem Ordnungsmittelantrag (§ 890 ZPO) oder einem Zwangsmittelantrag (§ 888 ZPO). Das geht oft innerhalb weniger Tage. Zwar müssen die Gericht nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 30.9.2018 - 1 BvR 1783/17; BVerfG, Beschl. v. 27.7.2020 – 1 BvR 1379/20) vor Erlass einer einstweiligen Verfügung den Gegner anhören. In der Praxis geben die Gerichte den Antragsgegnern hier häufig nur drei Tage Zeit. Manche Gerichte verzichten aber immer noch darauf.

Ein einstweiliges Verfügungsverfahren wird oft auch wieder schnell beendet. Hierfür reicht es, wenn der Gegner eine Abschlusserklärung abgibt.

Ein weiterer Vorteil: Während in einem Klageverfahren der Anspruchsteller für seinen tatsächlichen Vortrag Beweis erbringen muss, reicht ein einem einstweiligen Verfügungsverfahren ein "Glaubhaftmachen" der behaupteten Tatsachen. Die Richtigkeit muss hier nicht erwiesen, sondern nur überwiegend wahrscheinlich sein. Außerdem kann auch eine Person, die in einem Klageverfahren als Zeuge ungeeignet ist, weil sie Partei wäre, Tatsachen glaubhaft machen. Dies geschieht meistens durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung. Schließlich muss der Antragsteller auch keinen Gerichtskostenvorschuss bezahlen.

Eine vorherige Abmahnung z.B. wegen Markenrechtsverletzung vor einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist an sich nicht notwendig. Wer allerdings eine einstweilge Verfügung erwirkt, ohne den Gegner zuvor abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert zu haben, dem droht ein "sofortiges Anerkenntnis" der einstweiligen Verfügung. Dann muss der Antragsteller die Verfahrenskosten bezahlen, auch wenn er das Verfahren gewinnt (§ 93 ZPO).

Nachteile einer einstweiligen Verfügung

Für den Antragsteller birgt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch Nachteile. Der wichtigste Nachteil: Es muss schnell gehen. Zögert der Antragsteller zu lange ab dem Zeitpunkt, ab dem er von der Rechtsverletzung erfährt, entfällt die "Dringlichkeit" (hierzu unten). Außerdem wird eine einstweilige Verfügung nicht durch das Gericht zugestellt. Der Antragsteller muss diese vielmehr selbst im Parteibetrieb dem Gegner oder eventuell dessen Anwalt zustellen. Hierbei gelten strenge Formvorschriften. Wer bei der Zustellung Fehler macht, dem droht allein aus diesem Grund die Aufhebung der einstweiligen Verfügung.

Ein weiterer Nachteil ist schließlich die Gefahr eines sich anschließenden Hauptsacheverfahrens. Beendet der Gegner das einstweilige Verfügungsverfahren nicht durch eine Abschlusserklärung, folgt meistens ein zeit- und kostenintensives Hauptsacheverfahren. Kann der Antragsteller die zuvor im Verfügungsverfahren galubhaft gemachten Tatsachen dann nicht beweisen (z.B. weil er selbst Partei ist), droht ihm nicht nur das Unterliegen im Hauptsacheverfahren, sondern auch die Aufhebung der einstweiligen Verfügung in einem Aufhebungsverfahren.

Eine einstweilige Verfügung ist sofort wirksam

Eine einstweilige Verfügung muss sofort nach Zustellung befolgt werden. Sonst droht die Zwangsvollstreckung, indem der Antragsteller bei Gericht empfindliche Ordnungsgelder (z.B. bei einem Verstoß gegen einen Unterlassungstitel) oder Zwangsgelder (z.B. zur Erzwingung einer Auskunft) gegen den Antragsgegner beantragt. Das Verfügungsverfahren ist etwas für Spezialisten, die die Besonderheiten eines Verfügungsverfahrens kennen.

Strenge Formvorschriften

Eine einstweilige Verfügung muss richtig zugestellt werden. Hier werden oft irreparable Fehler gemacht. Auch die Dringlichkeit muss beachtet werden.

Die in einem einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzbaren Ansprüche im gewerblichen Rechtsschutz

Bei der Verletzung von gewerblichen Schutzrechten (Marken, Designs bzw. eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern, nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern, Patente) und beim ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz können somit Unterlassungsansprüche und selbständigen Auskunftsansprüche über die Herkunft und den Vertriebsweg schnell geltend gemacht werden. Andere Ansprüche als Unterlassungsansprüche und Auskunftsansprüche können in der Regel nur ausnahmsweise in einem Verfügungsverfahren geltend gemacht werden.

Die Dringlichkeit als Voraussetzung für den Erlass einer einstweilige Verfügung

Eine einstweilige Verfügung wird nur erlassen, wenn das Gericht die geltend gemachten Ansprüche als überwiegend wahrscheinlich berechtigt ansieht und der "Verfügungsgrund" glaubhaft gemacht wird. Dieser Verfügungsgrund ist die Dringlichkeit: Die Sache muss so dringend sein, dass dem Antragsteller ab Kenntnis von der Rechtsverletzung das Abwarten einer Entscheidung im ordentlichen Klageverfahren nicht zugemutet werden kann. Eine Kenntnis des Rechtsanwalts von der Rechtsverletzung kann der Kenntnis des Antragsstellers jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Auftragserteilung zugerechnet werden (OLG Hamm, Urteil v. 3.5.2011, Az. 4 U 9/11 - Salve einer Abmahngesellschaft; OLG Frankfurt am Main v. 31.5.2010, Az. 6 W 50/10 - Sequestrationsanspruch).

Da ein Antragsgegner meistens nicht weiß, ab wann genau ein Antragsteller Kenntnis von den Tatsachen hat, die eine Rechtsverleztzung begründen, genügt es, dass er Tatsachen vorträgt, die den Schluss auf eine Kenntniserlangung zu einem bestimmten Zeitpunkt zulassen. Dann muss der Antrasgateller darlegen und glaubhaft machen, wann er tatsächlich Kenntnis erlangt hat (OLG Bamberg v. 9.4.2018 – 3 W 11/18 - Brückentag; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.2.2014 – I-6 U 84/13 - Rücklastschriftkosten).

Gesetzliche Vermutung der Dringlichkeit im Wettbewerbsrecht und Markenrecht

Besonders gerne wird das Mittel der einstweiligen Verfügung im Wettbewerbsrecht und Markenrecht benutzt. Denn hier wird die „Dringlichkeit“, also die besondere Eilbedürftigkeit gesetzlich vermutet: Im Wettbewerbsrecht nach § 12 II UWG und im Markenrecht nach § 140 Abs. 3 MarkenG. Die Drinnglichkeit muss daher nicht nachgewiesen ("glaubhaft gemacht") werden.

In der Praxis werden Verfügungsverfahren häufig durch Abgabe einer Abschlusserklärung - oft nach Aufforderung durch ein Abschlussschreiben - beendet, ohne dass es noch zu einem Hauptsacheverfahren kommt.

Dringlichkeit einer einstweiligen Verfügung lebt nicht wieder auf

Wenn ein Antragsteller einer einstweiligen Verfügung einmal durch sein Verhalten selbst gezeigt hat, dass ihm die Angelegenheit nicht dringlich ist, hat er die Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten selbst widerlegt. Das gilt auch in den Fällen, in denen die Dringlichkeit gesetzlich vermutet wird, z.B. im Wettbewerbsrecht und Markenrecht (siehe oben). Was einem Antragsteller zunächst nicht dringlich war, kann auch später nicht mehr dringlich werden.

Beispiel: Im Jahr 2020 veröffentliciht die Antragsgegnerin im Internet verschiedene Äußerungen, die die Antragstellerin erst im Mai 2021 in einem einstweiligen Verfügungsverfahren gerichtlich verbieten lassen möchte. Das Gericht lehnt den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen fehlender Dringlichkeit ab. Anschließend veröffentlicht die Antragsgegnerin die vorprozessual von der Antragstellerin übersandte strafbewehrte Unterlassungserklärung, in der diese Äußerungen wiedergegeben werden. Durch diese Wiederholung der Äußerung konnte die Dringlichkeit nicht wieder aufleben, weil die Äußerungen sich nicht von denjenigen Unterschied, die die Antragstellerin nicht dringlich genug hat verbieten lassen wollen (OLG Brandenburg, Urteil v. 19.7.2021 - 1 W 23/21).

Die Dringlichkeitsfristen in den einzelnen OLG-Bezirken

Die Fristen, die einzelnen Gerichte als noch ausreichend ansehen, damit der nötige Verfügungsgrund (d.h. die Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung) vorliegt, unterscheiden sich zwischen den einzelnen Gerichten. Einige Beispiele:

  • OLG Köln: Einen Monat (OLG Köln v. 14.07.2017 - 6 U 197/16), aber "Besonderheiten des Einzelfalls" müssen berücksichtigt werden (OLG Köln WRP 2014, 1085 - L-Thyrox)
  • OLG Düsseldorf: Zwei Monaten zwischen Kenntnisnahme von der Rechtsverletzung bis zur Antragstellung, wenn der Antragsteller zuvor eine Abmahnung mit mindestens siebentägiger Reaktionsfrist übersandt hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.05.2023 - I-20 W 36/23)
  • OLG Hamm: Einen Monat (OLG Hamm v. 7.2.2019 – I-4 W 12/19 - Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung durch Zuwarten über einen Monat hinaus seit Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes)
  • OLG München: Einen Monat (vgl. LG München I, Urteilsverfügung v. 16.01.2018 - 33 O 15848/17)
  • Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg: Fünf Wochen bei äußerungsrechtlicher Streitigkeit (OLG Hamburg v. 18.08.2017 - 7 U 72/17), in Wettbewerbssachen während der Urlaubszeit u.U. auch länger (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2020 – 15 U 124/19 - Affiliate-LInk)
  • OLG Frankfurt: Grob sechs Wochen (OLG Frankfurt v. 27.09.2012 - 6 W 94/12)
  • Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen: "Gut sechs Wochen" noch nicht dringlichkeitsschädlich, wenngleich zwei Wochen früher optimaler gewesen wäre (OLG Bremen v. 12.04.2001 - 2 U 18/2001)
  • OLG Dresden: Einen Monat (OLG Dresden, Urteil vom 27. November 2018 – 4 U 1282/18)
  • OLG Stuttgart: Weniger als ein Monat schadet Dringlichkeit nicht, acht Wochen sind meistens zu lange (OLG Stuttgart v. 12.10.2017 - 2 U 162/16 - Unterlassungsanspruch wegen Markenrechtsverletzung: Analoge Anwendung der Dringlichkeitsvermutung des UWG; Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung durch zu langes Zuwarten und verzögernde Verfahrensanträge)
  • OLG Bamberg: "Üblicherweise" Frist von einem Monat, u.U. etwas länger (vgl. OLG Bamberg v. 3.11.2010 – 3 U 92/10)
  • LG Berlin: Zwei Monate (LG Berlin v. 28.10.2014 - 15 O 345/14)

Abmahnung im Markenrecht

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"Vollziehung" der einstweiligen Verfügung

Vollziehung durch eigene Zustellung (Parteizustellung)

Einstweilige Verfügungen müssen innerhalb eines Monats vollzogen werden (§ 936, 929 II ZPO). Bei einstweiligen Verfügungen, die einen Unterlassungsanspruch zum Gegenstand haben, geschieht dies durch Zustellung (siehe unten). Die Frist beginnt

  • bei Beschlussverfügung (einstweilige Verfügungen, die ohne mündliche Verhandlung erlassen wurden) mit Zustellung des Beschlusses an den Antragsteller Gläubiger. Mit der Zustellung iwird die Beschlussverfügung "vollzogen" und wirksam.
     
  • Bei Urteilsverfügungen (einstweilige Verfügungen, die nach einem Widerspruch nach einer mündliche Verhandlung erlassen wurden) beginnt die Monatsfrist mit der Verkündung des Urteils. Die Zustellung des Urteils durch das Gericht an die Parteien ist noch keine wirksame Vollziehung. Denn einstweilige Verfügungen müssen "im Parteibetrieb" durch den Antragsteller selbst an den Antragsgegner zugestellt werden (hierzu unten). Hier ist es Sache des Antragstellers, bei dem Gericht zügig eine Ausfertigung anzufordern, damit er die Urteilsverfügung an den Antragsgegner (Verfügungsbeklagten) zustellen kann.

Ordnungsgemäße Zustellung der einstweiligen Verfügung?

Eine einstweilige Verfügung muss innerhalb eines Monats zugestellt werden. Die Zustellung einer einstweiligen Verfügung ist Wirksamkeitsvoraussetzung (BGH 10.6.1999 – VII ZR 157/98) und Beginn der Zwangsvollstreckung aus der einstweilligen Verfügung (§ 929 Abs. 2 ZPO). Das bedeutet, dass auch die Ordnungsmittelandrohung (§ 890 ZPO) innerhalb der Monatsfrist zugestellt werden muss. Idealerweise ist diese schon in der einstweiligen Verfügung tenoriert ("unter Androhung von Ordnungsgeld...").

Eine einstweilige Verfügung wird nicht vom Gericht zugestellt. Sie muss vielmehr "im Parteibetrieb" vom Antragsteller selbst förmlich, d.h. durch den Gerichtsvollzieher (§ 192 ZPO), an den Antragsgegner zugestellt werden. Eine Zustellung per E-Mail reicht nicht aus (ist aber u.U. heilbar). Denn die Übermittlung eines eingescannten Schriftstücks per E-Mail lediglich die Übermittlung einer einfachen Kopie dar, die für eine Zustellung nicht ausreicht (OLG Düssel-dorf v. 19.09.2017 - _-20 U 3/17; OLG Karlsruhe v. 22.01.2014 – 6 U 118/13; OLG Hamburg v. 30.06.2005 – 3 U 221/04). Die Übersendung einer unbeglaubigten Abschrift reicht zur Vollziehung einer Beschlussverfügung nicht aus, auch nicht über das elektronische Anwaltspostfach (OLG Brandenburg v. 06.04.2021 – 1 U 74/20), denn die Authentizität eines solchen Dokuments ist nicht überprüfbar (OLG Düsseldorf v. 29.05.2018 – 20 U 159/17 mwNw.).

Bei Zustellungen an einen im Ausland ansässigen Verfahrensgegener ist das Formblatt L nach Art. 12 der Verordnung (EU) 2020/1784 erforderlich.

Zustellung der einstweiligen Verfügung an Gegner oder den Gegenanwalt?

Liegt eine Prozessvollmacht des gegnerischen Anwalts vor, muss zwingend an den Gegenanwalt zugestellt werden. Das gleiche gilt, wenn sich etwa in einer Schutzschrift für den Antragsgegner ein Rechtanwalt für das Verfahren bestellt hat.

Zustellung der einstweiligen Verfügung ohne Antragsschrift?

Zwar kann nach der Rechtsprechung unter Umständen auf die Zustellung der Antragsschrift verzichtet werden, wenn der Umfang des gerichtlichen Verbots auch ohne Antragsschrift verständlich ist. Das gilt aber nicht, wenn die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung ausdrücklich vom Gericht von der Zustellung der Antragsschrift abhängig gemacht wird (OLG Köln, Urteil v. 14.05.2004 – 6 W 52/04).

Zustellung einer Schwarz-Weiß-Kopie einer vom Gericht farbig erlassenen einstweiligen Verfügung

Auch die Zustellung einer farbig erlassenen aber nur in Schwarz-Weiß zugestellten einstweiligen Verfügung kann unwirksam sein (vgl. OLG Frankfurt v. 02.04.2014 – 11 W 10/14, OLG Hamburg v. 30l.01.2007 – 3 W 239/06). Dies gilt insbesondere bei einstweiligen Verfügungen, in denen der Umfang des Verbots auch durch farbige Abbildungen bestimmt wird, also meistens bei Geschmacksmusterverletzungen und gelegentlich auch bei Markenrechtsverletzungen.

Zustellungsmängel sind u.U. nach §§ 189, 191 ZPO heilbar.

Rechtsmissbräuchliche einstweilige Verfügung

Verschweigen der vorprozessualen Korrespondenz: OLG München, Urteil vom 5.8.2021 - 29 U 6406/20

Wer versucht, den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu erschleichen, indem er eine Reaktion des Abgemahnten auf die Abmahnung verschweigt, kann rechtsmissbräuchlich handeln (OLG München v. 8.7.2017 - 29 U 1210/17). Das hat das OLG München in einem von uns erstrittenen Urteil bestätigt:

Der Fall: Der Antragsteller einer einstweiligen Verfügung behauptete die Verletzung zweier Marken und mahnte den vermeintlichen Rechtsverletzer ab. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung reichte er anschließend am 2.4.2020 beim Landgericht München I ein. Das Landgericht erteilte am 6.4.2020 und 9.4.2020 dem Antragsteller Hinweise, auf die dieser mit Schriftsätzen vom 9.4.2020 und 17.4.2020 reagierte. Das Landgericht erließ am 21.4.2020 ohne Anhörung des Antragsgegners die einstweilige Verfügung. durch Beschluss (d.h. ohne mündliche Verhandlung) Zwischenzeitlich hatte der Antragsgegner, vertreten durch uns, am 15.4.2020 auf die Abmahnung reagiert. Diese Reaktion hatte der Antragsteller dem Gericht nicht vorgelegt. Dieses bewusste Vorenthalten der Reaktion des Antragsgegners war rechtsmissbräuchlich. Denn ein Antragsteller in einem einstweiligen Verfügungsverfahren hat wegen des Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit die Pflicht, unaufgefordert und unverzüglich dem Gericht die Schreiben eines Antragsgegners vorzulegen. Verstößt er gegen diese Pflicht, handelt er rechtsmissbräuchlich. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Antragsteller die Reaktion des Antragsgegners für relevant hält oder nicht. Denn dies zu beurteilen, ist Sache des Gerichts (OLG München, Urteil vom 5.8.2021 - 29 U 6406/20). Das Oberlandesgericht München hatte allein aus diesem Grund auf unsere Berufung hin die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Verfügungsantrag auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Verstöße gegen eine einstweilige Verfügung und Zwangsvollstreckung

Ordnungsmittelantrag nach § 890 ZPO

Einstweilige Verfügung sind nach Zustellung an den Gegner sofort vollstreckbar. Die Art und Weise der Zwangsvollstreckung hängt vom Tenor der einstweiligen Verfügung ab. Untersagungsverfügungen, also einstweilige Verfügungen, die eine gerichtliche Unterlassung zum Gegenstand haben, werden mit Ordnungsmittelanträgen vollstreckt. Hierfür muss der Antragsteller der einstweiligen Verfügung bei dem Prozessgericht einen Ordnungsmittelantrag nach § 890 ZPO einreichen. Liegt ein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung vor, verhängt das Gericht gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld, z.B. € 10.000,00. Bei weiteren Verstößen kann das Gericht - nach entsprechenden Ordnungsmittelanträgen - weitere Ordnungsgelder verhängen, wobei die Höhe der Ordnungsgelder ansteigt. Die Verhängung von Ordnungsgelder dient der Bestrafung des Antragsgsgners für den Verstoß gegen die einstweilige Verfügung.

Zwangsgeldantrag nach § 888 ZPO

Wenn Gegenstand der einstweiligen Verfügung eine nicht vertretbare Handlung ist, z.B. eine Auskunft, wird nach § 888 ZPO durch Zwangsgeldanträge vollstreckt. In diesen Fällen verhängt das Gericht auf Antrag des Antragstellers der einstweiligen Verfügung ein oder mehrere Zwangsgelder. Auch diese steigen an. Im Gegensatz zu Ordnungsgelder dienen Zwangsgelder nicht der Bestrafung. Es sind vielmehr reine Beugemittel zur Erzwingung der tenorierten Handlung (z.B. Auskunftserteilung). Nach Vornahme der Handlung werden Zwangsgelder daher (im Gegensatz zu Ordnungsgelder) wieder zurückgezahlt.

 

Die Abschlusserklärung nach Zustellung einer einstweiligen Verfügung

Die Beendigung des einstweiligen Verfügungsverfahrens

Abschlussschreiben und Abschlusserklärung

Das Abschlussschreiben ist die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung nach Erlass einer einstweiligen Verfügung. Mit einer Abschlusserklärung wird üblicherweise ein einstweiliges Verfügungsverfahren beendet. Mit der Abschlusserklärung erkennt der Antragsgegner bzw. der Verfügungsbeklagte die einstweilige Verfügung als abschließende Regelung an. Nur durch Abgabe einer Abschlusserklärung geht auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr unter (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.02.1995 - 6 U 250/94). Ein auf das Verfügungsverfahren folgendes Hauptsacheverfahren ist dann nicht mehr möglich. Einer solchen Klage würde das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Eine Abschlusserklärung lässt das Rechtsschutzbedürfnis aber nur dann entfallen, wenn sie dem Inhalt der einstweiligen Verfügung entspricht (BGH GRUR 2005, 692 – „statt“-Preise).

Frist zur Abgabe der Abschlusserklärung

Die von der Rechtsprechung entwickelte Frist zur Abgabe einer Abschlusserklärung beträgt 14 Tage nach dem Zeitpunkt der Zustellung der einstweilgen Verfügung. Nur wenn er diese Frist einhält, kann der Antragsteller von dem Antragsgegner auch die Kosten für das Abschlussschreiben erstattet verlangen (BGH, Urt. v. 22.1.2015 – I ZR 59/14 - Kosten für Abschlussschreiben II).

Muster einer Abschlusserklärung zur Beendigung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens

Eine Abschlusserklärung hat üblicherweise den folgenden Inhalt:

Abschlusserklärung

Die Unterzeichner erklären als Geschäftsführer der Firma ... GmbH, ...:

1.    Wir erkennen die einstweilige Verfügung des Landgerichts ... vom ... (Az: ... O .......) als zwischen den Parteien materiellrechtlich verbindliche, endgültige Regelung an, die in ihren Wirkungen einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht.

2.    Wir verzichten auf alle weiteren Rechtsmittel gegen die einstweilige Verfügung, insbesondere der Fristsetzung zur Hauptsacheklage, § 926 ZPO, der Aufhebung wegen veränderter Umstände, § 927 ZPO sowie darauf, die Unrichtigkeit der einstweiligen Verfügung durch Feststellungsklage, negative Feststellungsklage, Inzident-Feststellungsklage oder Einwendung in ei-nem Rechtsstreit geltend zu machen.


Ort, Datum

    

 


…………………………………
Für die Firma ....... GmbH

 

Höhe der Gebühren für ein Abschlussschreiben

Streit gibt es immer wieder über die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren, die der Antragsteller der einstweiligen Verfügung für das Abschlussschreiben erstattet verlangen kann. Der 6. Zivilsenat des BGH geht davon aus, dass grundsätzlich eine Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens des Nr. 2300 RVG VV, nämlich zwischen 0,5 bis 2,5, erstattet verlangt werden kann (BGH Urteil v. 22.03.2011, Ziff. 24 - VI ZR 63/10). Im Streitfall hatte der BGH eine Gebühr in Höhe einer 1,3-Gebühr als angemessen angesehen. Anderer Ansicht ist der für den gewerblichen Rechtsschutz zuständige 1. Zivilsenat: Hier hatte der BGH in dem Urteil vom 4.2.2010 - I ZR 30/08 - Kosten für Abschlussschreiben) - im konkreten Fall ein Abschlussschreiben als "Schreiben einfacher Art" behandelt und nur eine 0,3-Gebühr für erstattungsfähig angesehen.